Rosentod: Thriller (German Edition)
verständigen.“
„Ist schon passiert. Aber wenn er trotzdem noch einmal hier auftaucht?“
„Dann wäre er ganz schön bescheuert“, grunzt Joe. „Andererseits: Am Ende ist er ja vielleicht wirklich nicht ganz dicht.“
„Wie auch immer, wir können Judith nicht ewig bewachen“, seufzt Ulla. „In Anbetracht dieses neuen Internetbeitrags ziehen wir den Kollegen dort erst einmal ab. Beginnend mit der Nachtschicht. Und die Großfahndung nach Paulik können wir auch abbrechen. Ich werde Nüssler informieren.“
Joe nickt. Pauliks Foto liegt in allen Hotels und Beherbergungsbetrieben. Bundesweit. Wenn er irgendwo eincheckt, ist er geliefert.
Ulla hört es und ist trotzdem nicht froh. Was sollen sie inzwischen tun?
Den Firmensitz, die Villa der Eltern und Pauliks Haus in der Seegrabenstraße beschatten, schlägt Maringer vor. Gleichzeitig mit den Studentenbefragungen beginnen. Bis sie da durch sind, ist ihnen ein Bart gewachsen.
Ulla seufzt. Das fürchtet sie auch.
***
Es wird Abend.
Zufrieden steht Max Paulik am Fenster des alten Schuppens und blickt durch die verschmutzten Scheiben gelassen nach Nordwesten.
Dichter Dunst am Horizont. Wenn er die Augen zusammenkneift, erkennt er die höheren Gebäude der Stadt und die Türme von Sankt Xaver.
Die Stadtpfarrkirche. Als er noch klein war, glaubte er tatsächlich, dort wohne der liebe Gott. Da pilgerte er zu ihm. Flehte, der Herr möge ihn vom Stottern befreien und seine Seele retten. Auf Knien. Wie lächerlich.
Verbittert dreht sich Max wieder weg.
So eine beschissene Kindheit, überlegt er. Keiner redete mit ihm. Keiner wollte mit ihm reden. Hätte er seine Bücher nicht gehabt, wäre er vor die Hunde gegangen. Trotz Vaters Geld war er immer nur unglücklich.
Glück? Das verspürte er als Kind, wenn er selbst gefangenen Insekten Fühler und Beine ausriss.
Hochgefühle? Die hat er heute, wenn er das Gesetz des Handelns bestimmt, sich in eine Spinne verwandelt oder in einen Raubfisch. Wenn er lauert, jagt, die Beute reißt. In jenen Momenten, in denen er allmächtig ist. Herr über Leben und Tod.
So, wie das heute noch geschehen wird.
Hier, in seiner Stadt.
***
Stunden später in Joes Unterkunft.
Vor den Fenstern glüht schon die Abenddämmerung.
Die Kriminalbeamtin freut sich auf das, was kommt. Schließlich weiß sie ja, wozu Joe imstande ist.
„Überrascht dich diese Musik?“, fragt er sie sanft und dreht die Stereoanlage lauter. „Swing. Mag ich normalerweise nicht so sehr. Lege ich nur auf, wenn ich tanzen will.“
Aufgeregt zupft sie an ihrem Kleid.
„Woher weißt du, dass ich so gern tanze?“, erkundigt sie sich verdutzt.
„Das steht in deinem Dossier“, behauptet er, und sie reicht ihm graziös die Hand. Glucksend vor Begeisterung.
Maringer nimmt sie in die Arme.
Er riecht so gut. Mit geschlossenen Augen wiegt sich Ulla im Takt. Zugleich hält er sie an der Taille fest, drückt sie an sich, nimmt den Rhythmus auf und setzt die ersten Tanzschritte. Was die beiden dann treiben, ist weit mehr als Tanz. Es ist ein Drücken, Schieben, und schließlich ein Abheben und ein Schweben. Alles dreht sich, und das Geräusch der Musik benebelt ihre Sinne. Zwei wunderbare Stücke lang. Dazu noch der feste Druck seiner Hand.
Schierer Jubel, als er sie schließlich hochhebt, als sei sie eine Feder und mit dem Fuß die Tür zum Schlafzimmer aufzwängt. Dann liegen sie endlich im Bett. Seine Hände zerren an ihr. Hoffentlich ist das schöne Kleid danach nicht hinüber. Hat sie schließlich fast ein halbes Monatsgehalt gekostet. Joe hat ganz andere Sorgen. Keuchend nestelt er an ihrer Unterwäsche. Sie vergeht schon fast vor Ungeduld. Rasch hebt sie ihr Becken. Dann sind sie beide nackt.
„Komm.“
Mit festem Druck beantwortet er die Umklammerung ihrer Schenkel. Immer noch Musik. Ganz weit weg.
Jetzt wird sie zunehmend vom Ächzen und Quietschen des Betts überlagert. Selbstvergessen überlässt sich Ulla dem wunderbaren Rhythmus seiner Stöße. Schneller. Und rascher noch. Wieder. Und wieder.
Und dann, irgendwann einmal, ist da plötzlich nichts mehr.
Eine Stunde später in Maringers Wohnzimmer.
Unter einer Wolldecke kuscheln sich Ulla und Joe nackt aneinander, beobachten die Fische in Joes Aquarium und trinken ein Glas Wein. Immer noch sorgt die Stereoanlage für einen angenehmen Geräuschpegel. Zur Abwechslung einmal klassische Musik. Händel.
Sie solle ihm ihre Geschichte erzählen, bittet er sie ein wenig geistesabwesend. Das
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