Rosentod: Thriller (German Edition)
wäre ein ganz wunderbarer Vertrauensbeweis.
Was geht dich meine Geschichte an, geht es ihr durch den Sinn. Überhaupt nichts. Wie kannst du bloß auf so dämliche Art den Zauber dieses Abends brechen? Aber plötzlich hat sie dann gar nichts mehr dagegen, sich alles von der Seele zu reden. Zu entschlacken. Endlich.
Also schildert sie ihm diese Begebenheit von vor vier Jahren, die ihr Leben veränderte. Dunkelheit, Regen und sie auf dem Weg von einem fingierten Vergewaltigungsfall zurück in die Basis. Verstört, weil ein paar Stunden zuvor ihre Beziehung zu Bernd Koschinsky zerbrochen war. Als sie über Funk vom Einbruchsalarm erfuhr, war sie keine 100 Meter vom Einkaufszentrum entfernt. Die Wahrscheinlichkeit eines Fehlalarms war relativ hoch, also wartete sie auf den Geschäftsführer und ging mit ihm hinein. Ein Fehler.
„Ich weiß“, unterbricht sie Joe. „Kriminalbeamtin schießt jugendlichen Einbrecher nieder. Die Story war in allen Zeitungen. Und im Fernsehen.“
„Der Junge war vermummt, als er mich angriff“, seufzt Ulla. „Ich hörte einen Knall, dachte, der schießt auf mich und griff nach der Waffe. Als ich wieder klar denken konnte, lag er am Boden, daneben eine Schreckschusspistole, und als ich mich bückte, war alles voller Blut.“
„Vorbei ist vorbei“, versucht Maringer sie zu trösten.
„So etwas ist nie vorbei“, widerspricht sie. „Der Moment, als ich ihm die Strumpfmaske vom Kopf zog, bleibt mir ewig im Gedächtnis. Ein 14-jähriger Bub. Es bestand Lebensgefahr. Mehrere Woche lang. Und dann die Gerichtsverhandlung. Entwürdigend. Dass ich freigesprochen wurde, grenzt an ein Wunder. Dem Jungen geht es jetzt wieder gut. Mir nicht.“
„Du warst in der Psychiatrie?“
Ulla nickt. „Drei Tage nach dem Waffengebrauch hatte ich einen Nervenzusammenbruch. Seither gelte ich als nicht belastbar.“
„Und willst uns allen etwas beweisen“, ergänzt der Chefinspektor. „Dabei bist du doch längst akzeptiert.“
„Ja?“, fällt sie ihm ins Wort. „Glaubst du das?“
Joe nickt. In diesem Moment klingelt sein Mobiltelefon. Koschinsky. Einen ungeeigneteren Moment hätte sich dieser Affe auch nicht ausdenken können.
Der Leiter des Ermittlungsteams hält sich nicht lange mit Vorreden auf. „Paulik ist in Leoben“, sagt er. „Ein Schaffner sah, wie er in Bruck an der Mur ausstieg. Wird die Amras noch bewacht?“
„Negativ“, zischt Maringer. „Haben wir heute bei Dienstende abgeblasen.“
„Sofort wieder aufziehen“, befiehlt Koschinsky. „Ich bin schon auf dem Weg zu euch.“
„Wo soll ich denn um diese Zeit noch einen Leibwächter auftreiben?“, entgegnet Maringer mürrisch.
„Na, dann mach das halt selbst“, kanzelt ihn Koschinsky ab. „Ich denke, es ist zu riskant, bis morgen zu warten.“
Fluchend legt Joe auf. „Du hast es gehört“, sagt er resignierend und streichelt ihre Wange.
„Ich bin kein kleines Kind mehr“, entgegnet sie achselzuckend. „Geh nur. Was sein muss, muss sein.“
Schweigend kleiden sie sich an. Sie verlassen das Haus gemeinsam.
Wie schwer es ihr fällt, seine Hand loszulassen. Aufpassen, Ulla, sagt sie sich. Du bist kein Backfisch mehr. Verhalte dich nicht wie einer.
Zehn Minuten später lässt er sie in der Südbahnstraße aussteigen.
Als er wegfährt, ist sie trotzdem traurig. Wie kindisch von ihr. Er kommt ja wieder. Bald. Jetzt wird sie erst einmal duschen und sich dabei die tristen Gedanken aus dem müden Köpfchen schwemmen. Danach gibt es Schokolade und später ein gutes Buch.
Sie hatte einen so wunderschönen Tag.
Da wird sie sich die Nacht nicht vermiesen lassen.
So ein Haus kann einem schon ans Herz wachsen.
Und es vermittelt ein Gefühl der Sicherheit.
Hinter ihren schützenden Mauern stellt Ulla sich unter die Dusche, wäscht sich, greift nach dem Badetuch und trocknet sich ab. Das wäre eine richtig tolle Nacht geworden, überlegt sie. Schade, aber nicht zu ändern. Sie wird ein wenig in diesem neuen Katalog blättern und sich ihr nächstes Buch aussuchen. Die Biografie von Kaiser Franz reizt sie. Das Leben jenes letzten römischen Kaisers deutscher Nation, der als erster Kaiser von Österreich in die Geschichte einging.
Nachdenklich streicht sie ihr nasses Haar zurück, kämmt sich, tupft ein wenig Feuchtigkeitscreme auf Stirn und Wangen, verstreicht sie, sprüht etwas Chanel Allure auf Hals und Brust und zieht sich den weißen Bademantel über. Ausnahmsweise wird sie sich die Spätnachrichten ansehen. Es
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