Rosentod: Thriller (German Edition)
so.
Ulla hat Verständnis, aber sie will ihn sehen. Sofort. Und sie sagt ihm auch, wo.
Es folgt ein Anruf beim Meldeamt. Im Weitergehen. Der Bursche ist bloß zwei Wochen älter als Elke, erfährt sie. Die beiden besuchten sogar dieselbe Schule. Ab September 1997. Vier Jahre lang.
1997? Ein katastrophales Jahr, zumindest was Ulla betrifft. Sie hatte ihren ersten Freund und die Sache hielt nicht lange. Und sonst?
Ach ja, in Großbritannien wurde Tony Blair Ministerpräsident, in Kairo und Luxor forderten Anschläge auf Touristen Todesopfer, und in Hongkong brach die Vogelgrippe aus. Im japanischen Kyoto ging die Klimaschutzkonferenz zur Eindämmung der Treibhaus-Emissionen über die Bühne, und das geklonte Schaf Dolly wurde der Öffentlichkeit präsentiert. Der Modedesigner Gianni Versace wurde erschossen, und der Tod von Diana, Princess of Wales, führte zu weltweiter Trauer und Massenhysterie. Im Dezember traf sich Ulla mit ihrem Erzeuger am Wiener Christkindlmarkt. Heimlich. Zu Weihnachten flog die Sache auf und Mama machte ein Riesendrama draus. Danach hat Ulla den Vater nie wiedergesehen.
Aber zurück zu Groll. Ulla erwartet ihn vor dem Kinderspielplatz gegenüber der Hauptschule Leoben-Stadt. Aufgrund ihres gedanklichen Ausflugs in die Vergangenheit ist sie überaus gereizt, als er endlich auftaucht. Kein Wunder, dass er sofort nervös wird. Der schlaksige junge Mann spricht kein Wort und steht da wie frisch angemalt.
Wieso er vor einer Woche seine Beziehung mit Elke Röhm beendet habe, will die Kriminalbeamtin wissen und drückt den Burschen damit sofort in die Defensive.
Er? „Elke war es doch, die mir den Laufpass gab“, erklärt er und blinzelt verstört.
Die Kriminalbeamtin stutzt. „Gibt es jemanden, der diese Version der Geschichte bezeugen kann?“
„Das weiß ich nicht.“ Mit hochrotem Gesicht zieht Groll ein Taschentuch hervor und schnäuzt sich. „Wieso sind dafür eigentlich Zeugen nötig? Das ist doch Privatsache. Welcher Mann hat es schon gern, wenn die ganze Welt mitkriegt, wie unfein ihn sein Mädel abserviert? So etwas ist nicht so einfach. So etwas verkraftet man nicht so schnell.“
„Das heißt, Sie sind jetzt solo?“
Groll schüttelt den Kopf.
„Na eben. Wie heißt sie? Wo wohnt sie? Was ist sie von Beruf?“
Eingeschüchtert gibt der Bursche Auskunft. Die Chefinspektorin notiert.
Am vergangenen Wochenende war er bereits mit seiner neuen Flamme weg. Die könne das natürlich bezeugen. Und nicht nur sie.
Da ist Ulla aber gespannt. Nacheinander ruft sie seine Zeugen an. Danach ist alles klar. Groll hat ein Alibi. Es ist Zeit, das Feld zu räumen.
„Als ihr von Freitag auf Samstag ausgegangen seid“, fragt Ulla, „habt ihr Elke da irgendwo gesehen?“
Bekümmert schüttelt er den Kopf.
„Und wo könnte sie jetzt stecken?“
Groll antwortet mit einem Achselzucken. „Dass Elke freiwillig einfach sang- und klanglos verschwindet, ist völlig ausgeschlossen“, sagt er. „Dazu steht sie zu gern im Mittelpunkt. Hätte sie geplant, Leoben zu verlassen, wüsste die halbe Stadt davon. Der Umstand, dass sie plötzlich unauffindbar ist, verheißt nichts Gutes.“
Das weiß Ulla inzwischen auch. „Na schön. Sie kommen mit Ihrem neuen Mädchen und den übrigen Zeugen zu mir ins Kommissariat. Zur Protokollaufnahme“, befiehlt sie barsch. „Zweite Etage, Zimmer 201, 16 Uhr. Seid pünktlich.“
Mit diesen Worten rauscht sie ab. Grußlos.
Nachdenklich sieht ihr Groll nach, ehe er sein Mobiltelefon aus der Jackentasche holt und jemanden anruft.
„So eine Schnalle von der Kripo hat mich gerade gepiesackt“, berichtet er und deckt dabei mit der zweiten Hand das Telefon ab. „Es ging um Elke.“
***
Jetzt wird es sogar ein wenig wärmer. Kommt da gar ein Hauch von Frühling auf sie zu?
Beschwingt marschiert Chefinspektorin Spärlich am Rathaus vorbei und durch die Turmgasse bis zum Schwammerlturm. Dort eilt sie nach links in Richtung Hauptplatz. Die Sonnenstrahlen streicheln ihr Gesicht, und der bloß sporadisch einfallende Wind ist gar nicht unangenehm. Kurz vor Mittag sind die Straßen voller Menschen. Die meisten kaufen gerade ein oder suchen ein Restaurant.
Mittagszeit. Hunger. Ulla hat kaum Bargeld dabei, nur ein paar Münzen, aber für eine Tasse Kaffee langt es schon. Ihr Vater trank leidenschaftlich gern Kaffee, fällt ihr ein. Der war ja geradezu süchtig danach. Nach italienischem Espresso, genau genommen. Dass jemand, der im Management einer bekannten
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