Rosentod: Thriller (German Edition)
mich.“
„Ich mache das“, meldet sich Maringer.
„Danke. Was schlagen Sie vor?“
„Polizeiliche Fahndung. Sofort, aber vorerst diskret. Wenn sich die Kleine bis morgen früh nicht meldet, schalten wir die Medien ein.“
Was er ihr darüber hinaus noch bieten könne, will Ulla wissen.
„Ich übernehme die Handypeilung und all den Schreibkram rund um die Fahndung. Mehr geht im Augenblick nicht“, stellt er klar. „Wir stecken mitten in einem großen Rauschgiftfall. Heroin und Kokain. Große Mengen, und Dealer mit Verbindungen bis nach Südosteuropa. Sobald es geht, übergebe ich die Sache an einen Kollegen, aber das kann noch dauern.“
„Weitere Angebote?“
Keine Antwort. Auch gut. Ulla erhebt sich und geht. Stumm.
Vor dem Besprechungsraum steht Nüssler mit zwei Herren. Die Chefinspektorin ist so in Gedanken, dass sie den Jüngeren der beiden frontal rammt und aus dem Gleichgewicht bringt.
Der Heizkörper gibt einen glockenhellen Ton von sich, als Max Paulik sich das Knie an ihm anschlägt. Linkisch stottert er eine Entschuldigung. Ulla ist ganz verdattert und beachtet ihn nicht.
„Da ist mir aber peinlich. Darf ich vorstellen? Ulla Spärlich, meine Stellvertreterin“, knurrt der Major ungehalten. „Sie kennen Herrn Architekten Paulik mit Sohn? Die Herren statten unsere Büros mit neuen Möbeln aus. Ende des Jahres.“
Ulla nickt verlegen, richtet sich die Kleidung und ihr Haar. Zieht Leine.
Kaum sitzt sie hinterm Schreibtisch, ruft Frank an.
„Ich denke die ganze Zeit an dich“, gluckst sie. „Du kommst doch heute Abend? 18 Uhr?“
„Kann nicht“, antwortet er knapp. „Hab schon was vor.“
Ulla kostet es ganz schön viel Mühe, die Abfuhr zu verdauen. Steckt da vielleicht diese Judith dahinter? Sie hätte gute Lust, ihn ganz offen danach zu fragen.
„Und wann sehen wir uns wieder?“, erkundigt sie sich stattdessen.
„Ich ruf dich an.“
„Das kann doch nicht dein ernst sein. Komm, sag was, Liebster.“
Das Freizeichen. Frank hat aufgelegt.
„Verlass mich nicht“, flüstert Ulla hilflos und steckt das Telefon in die Außentasche ihrer Jacke. „Ich hab doch nur dich auf der Welt. Geht das denn gar nicht in deinen verdammten Kopf?“
***
Anna-Maria Röhm sitzt am Bett ihrer Tochter. Seit Langem schon. Mit geschlossenen Augen streicht sie über die Kissen. Ein lautes Klingeln. Telefon. Wo ist es denn? Ach ja, in der Küche.
Abgespannt erhebt sich die Frau und schlurft aus dem Zimmer. Das Gespräch ist kurz. Sie sagt zwei Mal „Ja“. Das war’s dann schon. Nervös eilt sie ins Bad, wäscht und schminkt sich, zieht sich um. Ein älteres Kleid, interessant geschnitten, dazu etwas höhere Schuhe und ihren besten Mantel. Licht aus. Weg.
Ihr erster Weg führt in die Kirche.
Am Portal die Fingerspitzen ins Weihwasser getaucht, das Kreuzzeichen auf Stirn, Mund und Brust gemalt und mit gesenktem Kopf nach vorne gehastet, in die erste Bankreihe. Dort kniet sie eine ganze Weile und betet, ehe sie die Kirche wieder verlässt.
Bis zum Taxistand am Hauptplatz sind es wenige Minuten. Wie es ihre Angewohnheit ist, feilscht sie mit dem Taxichauffeur, ehe sie sich in den Fond des Wagens setzt und nach Donawitz fahren lässt.
Das Hochhaus mit Sicht auf den Friedhof hat auch schon bessere Zeiten gesehen. Etwa um 1970 wohnten hier noch Beamte und gut verdienende Werksarbeiter. Heute leben da vorwiegend Ausländer und jene Einheimische, die es nicht schafften, wegzugehen.
Der Aufzug funktioniert schon wieder nicht. Die Frau ist ganz schön außer Atem, als sie im vierten Stockwerk ankommt.
Willi öffnet sofort.
Ein stattlicher Mann, der sie um Kopflänge überragt. Stämmig, ohne fett zu sein. Graues, gewelltes Haar, olivgrüne Jeans und ein blütenweißes Hemd. Ein gepflegter Witwer. Kinderlos.
Sofort umarmt er sie und streichelt ihr Haar. Sie hat sich schön gemacht für ihn, gesteht sie, als er sie loslässt. Dann geht sie voraus und öffnet wie selbstverständlich die Schlafzimmertür. Er folgt. Schweigend.
Eine Stunde später sitzen sie in flauschige Bademäntel gehüllt auf dem Sofa. Auf dem Glastisch stehen Kuchen und eine Flasche Wein.
„Weiß die Kripo schon Bescheid über uns?“, fragt er.
Sie schüttelt den Kopf und wischt sich verschämt ein paar Tränen aus den Augen.
Da stellt er sein Glas weg, nimmt sie in die Arme und wiegt sie darin wie ein Kind.
„Es wird alles gut“, sagt er und küsst sie auf beide Wangen. „Vertrau mir.“
***
Mitternacht.
Die
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