Rosentod: Thriller (German Edition)
Enttäuscht macht Ulla kehrt.
„Weißt du, wie der Kerl heißt, der da eben abgehauen ist?“, fragt sie die Kellnerin an der Theke.
„Keine Ahnung“, bedauert die Rothaarige und schiebt ihr einen Cuba Libre zu. „Aber hier hab ich was für dich. Von Theo. So wie es aussieht, will der was von dir.“
Kopfschüttelnd übernimmt Ulla den Drink, lächelt und prostet dem sympathischen Barmixer zu.
Derweil rollt sich draußen auf dem Parkplatz der Strohblonde unter dem weißen Mercedestaxi hervor und peilt erst einmal die Lage.
Dann springt er in den Wagen und braust davon.
***
Donnerstag, 14. März.
Ein Tag jenseits aller Jahreszeiten.
Zwar hat Ulla schon wieder von ihrem Vater geträumt, aber die Details des Traums sind ihr nicht mehr präsent. Das ist ein Fortschritt, findet sie.
Frank ist telefonisch nicht zu erreichen. Ulla grübelt über den Grund nach, will sich dann aber doch nicht mit miesen Gedanken den Tag verderben. Ruhig, sagt sie sich. Tief durchatmen.
Während sie die Hand auf das Geländer der Winkelfeldbrücke legt, spürt sie die wohltuende Kraft der Sonne, die über die Haut bis in ihr Herz strahlt und von dort aus durch den ganzen Körper. So wird es in ihr Frühling. Zumindest ein paar Augenblicke lang. Der Fluss ist ganz schön angeschwollen. Verdammt viel Wasser. Gedankenverloren setzt die Chefinspektorin ihre Sonnenbrille auf, verlässt die Brücke und stapft durch die stark ansteigende Dominikanergasse in Richtung Innenstadt. Elke Röhm fällt ihr ein. Immer noch hat sie keine exakte Vorstellung von dem Mädchen. Das muss sich schnell ändern. Bedächtig nimmt sie ihr Mobiltelefon aus der Jackentasche und wählt.
„Hallo. Maringer? Guten Morgen. Was gibt es Neues? Null Lebenszeichen von der Kleinen? Mist. Wie steht es mit der Handypeilung? Gerät ausgeschaltet. Bisher keinerlei Gespräche. Das ist übel. Ja, Nüssler glaubt, die kommt von selber wieder. Ich nicht. Wir werden mit der Presse reden. Bis später.“
Anna-Maria Röhm wäscht gerade den Boden auf, als Ulla hereinschneit. Ein sehr unpassender Moment für einen Besuch, murrt sie. Ulla hätte wenigstens anrufen können. Überhaupt habe sie den Eindruck, dass sich die Polizei für ihre vermisste Tochter nicht wirklich interessiere.
Gegenüber nörgelnden Geschlechtsgenossinnen hat die Chefinspektorin eine tiefverwurzelte Abneigung, sie beherrscht sich aber und schweigt so lange, bis die Frau ihr Putzzeug weggestellt hat und sie in die Küche bittet.
Es folgt ein stakkatohaftes Verhör. Erkundigungen über Verwandte und Bekannte, über ehemalige Lehrer, Mitschüler, Professoren, Studenten, Ferienbekanntschaften, kurz gesagt über jeden, der für Elke irgendwann einmal von Bedeutung war. Um mehr Gefühl für das Wesen der Vermissten zu bekommen, legt die Kriminalbeamtin dabei Elkes Bild auf den Tisch. Ein auffallend hübsches Mädchen. Blondes, glattes, schulterlanges Haar, eine kleine Nase und große, dunkle, akzentuiert geschminkte Augen. Die Figur? Makellos. Und dann dieses sinnliche Lächeln. Diese Judith Amras sieht ihr übrigens ganz schön ähnlich, findet Ulla.
Frank. Das verdammte Schlitzohr.
„Sie schauen auf einmal so böse“, wundert sich ihre Gastgeberin. „Ist etwas?“
„Nein, nein. Ihre Tochter ist in einer studentischen Verbindung?“
„Elke gehört zur Akademischen Damenverbindung Glut “, antwortet die Röhm stolz und deutet auf ein weiteres Foto.
Das Bild ist wenige Monate alt. Es zeigt Elke in schwarzer Bergmannstracht mit grünweißer Schärpe, auf dem Kopf die Bergmannsmütze. Vor ihr steht ein Krug Bier und im Hintergrund lümmeln Studenten. Chargierte, mit knallroten Gesichtern.
„Die Verbindung ist ihr sehr wichtig“, behauptet Elkes Mutter. „Und mir auch.“
„Wieso eigentlich?“
„Das ist die Elite“, antwortet Frau Röhm erstaunt. „Die Besten der Besten. Die Leute helfen einander ein Leben lang. Auch später, wenn sie im Beruf stehen.“
„Woher wissen Sie das?“
„Das weiß jeder in dieser Stadt.“
„Ach so.“
„Ich habe nachgedacht“, sagt Frau Röhm stockend. „Falls meine Tochter entführt wurde, hole ich sie mir wieder. Ich bin nicht reich, aber da ist schon etwas Geld. Das gebe ich gerne her, damit alles wieder so wird, wie früher.“
Es kommt nicht oft vor, dass Chefinspektorin Magistra Ulla Spärlich einem Menschen nicht in die Augen blicken kann, aber jetzt ist ein solcher Moment.
„Es gibt Fälle, in denen es von Bedeutung ist, ob jemand Geld
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