Rosentod: Thriller (German Edition)
hat, oder nicht“, erklärt sie sanft. „Für diese Geschichte hier scheint das aber eher nicht der Fall zu sein.“
„Und wieso nicht?“
„Wenn Ihre Tochter entführt worden wäre, um Geld zu erpressen, hätte sich bereits jemand gemeldet. Gab es in letzter Zeit irgendein ungewöhnliches Ereignis? Etwas, das ich wissen sollte?“
„Eine Unterhose wurde ihr gestohlen. Champagnerfarben. Seide. Im Asia Spa. Das war Anfang voriger Woche.“
Ulla stutzt. Warum hat ihr Frau Röhm das nicht schon bei ihrem ersten Gespräch erzählt?
„Weil ich einfach nicht mehr daran dachte“, erklärt ihr Elkes Mutter. „So wichtig war die Sache ja auch wirklich nicht. Elke fand es sogar eher spaßig. Trotzdem hat sie natürlich Anzeige erstattet.“
Diese Anzeige. Jetzt weiß Ulla endlich, woher sie Elkes Namen kennt.
„Kann ich etwas tun?“, fragt Frau Röhm.
Warten und hoffen, denkt sich Ulla und schüttelt den Kopf. „Die Fahndung nach Elke läuft ja schon“, sagt sie. „Wir schalten natürlich auch die Medien ein. Gibt es jemanden, bei dem Sie eine Weile untertauchen können? Einen Verwandten vielleicht? Für mich und meine Kollegen müssen Sie aber natürlich weiterhin erreichbar sein.“
Nervös nickt die Frau und gibt Ulla ihre Handynummer.
Sie hätte nicht auf Nüssler hören sollen, ärgert sich die Chefinspektorin, als sie später durch das hohe Tor auf die Erzherzog Johann-Straße tritt. Hätte sie mit den Ermittlungen gleich intensiver losgelegt, stünde sie jetzt vielleicht schon besser da.
Das Sonnenlicht trifft sie wie ein Blitz. Seufzend setzt sie ihre Sonnenbrille auf. Die Sache mit der Unterhose ist ein klarer Hinweis auf ein Sexualdelikt. Womöglich wird das Mädel irgendwo gefangen gehalten. Bleibt nur zu hoffen, dass sie noch lebt.
Der dunkel gekleidete Kerl auf der anderen Straßenseite, der sie, halb hinter dem Stamm einer Kastanie verborgen, beobachtet, zieht seine Mütze tiefer ins Gesicht, wartet einen Moment und folgt ihr dann in unverdächtigem Abstand.
Wind weht aus Norden, und über den Dächern kreischen Krähen.
Es ist, als krächzten sie Ulla eine Warnung zu.
***
Eine Stunde später in der Universität.
Frank Heilig wartet am Eingang zur Mensa. Sein Lachen macht ihn unwiderstehlich, das weiß er, also grinst er. Dass sein Feixen auch bei Judith Amras Wirkung zeigt, bleibt ihm dabei nicht verborgen.
Sofort nützt er die Chance. Vor allen anderen küsst er sie mit der größten Selbstverständlichkeit, ergreift ihre Hand und zieht sie mit sich. Sie leistet keinen Widerstand. Noch ein Kuss. Hart und leidenschaftlich. Sie habe Hunger, sagt sie ganz außer Atem, und sie möchte nicht im Stehen essen.
An den Tischen ist alles voll, aber Frank schafft Platz. Er holt auch das Essen. Für beide. Ein Kavalier der alten Schule eben. Während das junge Paar Lasagne in sich hineinschaufelt, plaudert Judith über ihre Vorlesungen. Derweil testet Frank, was sich seine linke Hand unter dem Tisch bei ihr so alles herausnehmen kann. Dem Mädchen wird es relativ rasch zu bunt. Empört klopft sie ihm auf die Finger und faucht ihn böse an.
Er will mit ihr heute Abend ausgehen, bettelt er daraufhin und rückt ihr ganz nah.
„Und deine Freundin? Diese Kriminalbeamtin?“
„Mit der ist es aus und vorbei“, versichert er.
Wirklich?
Ein treuherziges Nicken.
„Was sagt sie dazu?“
„Sie wünscht mir alles Gute.“
„Dann kannst du mich um 21 Uhr abholen. Du weißt ja, wo ich zu Hause bin.“
Na eben. Läuft ja. Mit leisem Bedauern schaut Frank auf die Uhr. Die nächste Vorlesung startet in einer Viertelstunde. Schluss mit Anbaggern. Zeit zu gehen.
„Servus“, sagt er leise und sie nickt. Ein schneller Kuss noch, ein paar geflüsterte Komplimente, und schon macht sich der Junge aus dem Staub.
Judith bleibt noch ein wenig sitzen und denkt nach. Frank ist ein netter Kerl. Attraktiv und gar nicht dumm. Genau der Typ Mann, vor dem ihre Großmutter sie immer warnte.
Ob sie sich tatsächlich mit ihm einlässt, ist aber noch nicht so ganz entschieden.
Falls nicht, darf sie halt den Zeitpunkt nicht verpassen, an dem es gilt, die Stopptaste zu drücken. Ein paar Kunststofftechniker stehen beisammen, unterhalten sich und lachen. Max Paulik ist auch dabei. Er wirft ihr einen langen Blick zu, aber sie ist mit ihren Gedanken schon bei der nächsten Vorlesung, hält den Blick zu Boden gerichtet, nimmt ihre Tasche und geht.
Mathematik steht jetzt an.
Eines von Judiths schwächeren
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