Rosentod: Thriller (German Edition)
mich? Ich habe dir die schönsten Jahre meines Lebens geschenkt, aber du kannst deine dreckigen Finger ja nicht von anderen Weibern lassen. Ich hätte es wissen müssen.“
„Blöde Kuh“, erwidert Koschinsky, zieht mit der rechten Hand auf, überlegt es sich aber im letzten Moment doch anders.
Stumm dreht er sich um und geht.
Das Kapitel hier ist abgeschlossen.
Für immer und ewig.
***
Der Abend dämmert.
Ulla und Judith laufen die Mur entlang und reden vom Tod. Judiths Eltern kamen beim Brand eines Schrägaufzugs am Kitzsteinhorn ums Leben, und die Großmutter, von der sie aufgezogen wurde, starb kurz nach Weihnachten. Seither lebt sie allein in Omas Haus. Ulla hört der Erzählung lange stumm zu, ehe sie ihren Vater erwähnt. Eigentlich sagt sie ja bloß, dass sie nicht vergessen könne, wie er aussah. Im Sarg.
Nach einer halben Stunde schmerzen ihre beiden lädierten Rippen wieder so sehr, dass sie aufgibt. Judith fährt dann sofort nach Hause. Sie muss für eine Prüfung lernen.
Was jetzt, fragt sich Ulla. Fernsehen? Lesen? Aus einem plötzlichen Impuls heraus nimmt sie ihr Telefon und wählt Joe Maringers Nummer.
Er hebt sofort ab.
Sie muss jetzt mit jemandem reden, fällt sie mit der Tür ins Haus. Ob er ein wenig Zeit für sie erübrigen kann?
Sie wisse ja, wo er wohne, antwortet er reserviert, doch seine Stimme verrät ganz deutlich, dass er sich freut. So besorgt sie sich also ein Taxi.
Eine halbe Stunde später sitzen sie einander gegenüber. Sofort sprudelt Ulla los, lässt alles raus, was ihr im Fall Röhm solche Sorgen macht. Dass die Fahndung nach Aschenbrenner stagniere, sie sich frage, ob Elke noch lebe und was sie noch tun könne, um sie endlich zu finden.
Nach einer Verschnaufpause sagt sie, „Der Job raubt mir so viel Kraft. Ich bin völlig leer. In jeder Beziehung. Früher glaubte ich noch an Dinge wie Wahrheit, Treue, Gerechtigkeit. An die Menschen. An Gott. Jetzt habe ich keine Illusionen mehr, nur noch quälende Träume. Manchmal würde ich am liebsten davonlaufen. Und du? Hast du ab und zu auch solche Gedanken?“
Stumm gießt Maringer Rum über braunen Zucker, zerstampft etwas Minze, gibt Limettensaft dazu, füllt auch noch zerstampftes Eis und etwas Mineralwasser in den Shaker und schüttelt das Gemisch ordentlich durch. Sorgsam gießt er den Cocktail in zwei hohe, blaue Gläser.
„Es ist, wie es ist“, sagt er schließlich und sieht sie lange an. „Fertig.“
„Das ist in diesem Zusammenhang aber keine große Hilfe“, seufzt sie.
„Es ist die Wahrheit“, beharrt er.
Einen Moment lang berührt Ulla seine Hand, entschuldigt sich aber gleich wieder dafür. Sie sollten diese Disco überwachen, schlägt sie dann vor. Zumindest an den Wochenenden. „Sonst verschwindet am Ende noch ein Mädchen.“
Maringer hat nichts dagegen, drückt ihr den Mojito in die Hand und schiebt sie sanft zum Sofa.
Sie solle ihm von ihrer Jugend erzählen. Komischerweise tut sie ihm den Gefallen und quasselt los. Hagen ist das Thema. Ihre Schulzeit.
„Deine Eltern haben sich getrennt?“
„Leider. War ein großer Schock für mich.“
„Ist es für jedes Kind.“
„Hast du das auch erlebt?“
„Nicht so direkt“, murmelt Maringer. „Ich hab meinen Vater nie gekannt.“
„Und deine Mutter?“
„Die mochte mich nicht.“
„Wieso?“
„Keine Ahnung. Ich war ihr fremd. Bis zu ihrem Tod. Das ist jetzt 15 Jahre her.“
„Und Schläge? Hast du Schläge bekommen?“
„Darauf kannst du wetten. Und sie prügelte mich sehr methodisch. So, dass es keinem auffiel. Meine Mutter war eine raffinierte Frau. Trinkst du noch einen Schluck?“
Ulla nickt. Dann erzählt sie, wie sie von Deutschland nach Österreich gekommen sei. Wie ihre Mutter, eine Grazerin, mit ihr aus Hagen floh, nachdem die Affäre ihres Manns mit seiner Sekretärin aufgeflogen war. Graz wurde ihre neue Heimat. „Das heißt aber nicht, dass ich nicht immer noch Heimweh nach dem Ruhrpott habe. Womöglich ist das der Grund dafür, weshalb ich mich so mit Arbeit zuschütte.“
„Fühlst du dich in Leoben wohl?“
„Ab und zu. Ich will akzeptiert werden“, gesteht sie, „aber das gelingt erst, wenn ich etwas Hervorragendes leiste. Etwas, das den alten Hasen imponiert.“
Joe nickt. Und ihr Studium? Wie komme jemand darauf, Geschichte zu studieren?
„Sturheit. Mama wollte eine Medizinerin. Als Ärztin bekommst du ein gutes Gehalt, aber das war mir nicht wichtig. Die Entscheidung für Geschichte fiel spontan.
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