Rosentod: Thriller (German Edition)
sonderlich auf.
Ein schlanker Blonder mit messerscharfem Bart steigt aus. Fürsorglich nimmt er die junge Frau im roten Mantel an der Hand und setzt sie auf die Rückbank. Judith will auch mit. Ihre Unruhe wird immer größer. Sie möchte weg hier, doch der Blonde bedauert. Ein alkoholisierter weiblicher Fahrgast reiche ihm.
„Ich bin aber doch stocknüchtern“, widerspricht Judith. Der Idiot glaubt ihr nicht. „Ich schicke Ihnen einen Kollegen“, verspricht er. „Das dauert nicht lange.“
Nervös folgen Judiths Blicke den Rückleuchten des Mercedes, bis sie im Dunkel der Nacht verschwinden. Es ist so finster hier. So einsam. Hinter ihr schlägt jemand eine Wagentür zu.
„Ist da jemand?“, piepst sie. Nein? Gott sei Dank. Wieso ist denn hier schon wieder die Beleuchtung defekt? So eine Scheiße.
Instinktiv beginnt die Studentin zu laufen. Weg hier. Schnell. Gleichzeitig dreht Max Paulik im schwarzen Jeep hinter ihr das Abblendlicht an und lässt den Motor aufheulen.
Da braust ein weißes Taxi von der Kärntnerstraße kommend auf den Parkplatz. Keuchend hält Judith das Gefährt an und redet auf den Fahrer ein, während am Stolz der amerikanischen Autoindustrie die Lichter wieder verlöschen und der Motor verstummt.
Dankbar springt Judith in ihr Taxi.
Wind kommt von Nordwest und fegt Papierfetzen gegen den Wagen.
Noch ehe das Taxi wendet, schlägt das Wetter um.
Sturm und Regen setzen ein.
***
Wieder hat Ulla geträumt. Sie weiß bloß nicht mehr, wovon. Das ist ja grundsätzlich ganz erfreulich.
Und hat sie sonst noch angenehme Wahrnehmungen?
Na, was schon?
Ein unheimlich öder Sonntagmorgen. Draußen ist es nass, kühl und windig. Mit brummendem Schädel geht Ulla in den Waschraum und spult ein hygienisches Notprogramm ab. Gesicht waschen, Bluse anziehen, sich dezent schminken.
Immer noch verschlafen trottet sie zurück in den Journaldienstraum. Dort warten schon die Meldungen der Streifenwagenbesatzungen aus dem Nachtdienst, sowie die Berichte der Kripostreife.
Insgesamt fünf Raufereien, ein verhinderter Selbstmord mit Einlieferung in die Landesnervenklinik, sieben Sachbeschädigungen, sprich: Mit Sprays besprühte Häuserfassaden. Dazu noch drei Autodiebstähle und ein anonymer Anzeiger, der behauptet, irgendwo im Stadtteil Lerchenfeld sei geschossen worden. Bilanz? Zwölf festgenommene Raufbolde, ein verletzter Polizeibeamter. Der Rest fällt unter die Rubrik Unbekannte Täter, und diese Sache mit den Schüssen ist überhaupt höchst nebulös. Das könnten auch simple Knallkörper gewesen sein.
Lustlos locht die Chefinspektorin die Meldungen und sammelt sie in einer Mappe. Als sie aufsieht, steht Nüssler vor ihr und erkundigt sich, ob sie die Rechtfertigung zur Beschwerde Röhm schon parat habe.
„Liegt in Ihrem Büro. Auf dem Schreibtisch“, entgegnet sie kühl.
„Ihr Haar ist zerzaust. Sie sollten sich kämmen“, murmelt er, nickt ihr zu und geht.
Mit diesem unfreundlichen Trottel als Chef hat sie sich ja einen gewaltigen Nagel eingetreten, ärgert sich Ulla, nippt an einer Tasse heißem, starkem Kaffee und blättert in der Zeitung. Die Schlagzeilen bessern ihre Laune kaum. Kriegsgefahr im Nahen Osten, Überschwemmungen in Italien und heimische Skandale im Bankwesen. Entsetzlich.
Telefon. Nüssler zitiert sie zu sich und sein Tonfall verheißt nichts Gutes. Als sie eintritt, steht der Major am Fenster und raucht.
Ihre schriftliche Rechtfertigung passe ihm nicht, meint er. Zu kurz. Zu arrogant. „Der Herr Bischof hat beim Oberbürgermeister interveniert. Seine Eminenz verbürgt sich persönlich für Frau Röhm und ersucht um mehr Fingerspitzengefühl gegenüber Mitarbeitern der katholischen Kirche. Sie brauchen mehr Einfühlungsvermögen!“, sagt er. „Auf so rüde Art und Weise kann man keine Untersuchungen führen. Nicht in dieser Stadt. Wenn das so weitergeht, werde ich Sie vom Fall abziehen.“ Er dreht sich zu Ulla um. Jedenfalls werde er sich in ihrem Namen und im Namen der Kripo entschuldigen. Ulla habe ihm das Wochenende verleidet. Aber gründlich.
Das lässt die Chefinspektorin nicht auf sich sitzen. Wer sich in dieser Sache für Frau Röhm stark mache, interessiere sie nicht, antwortet sie schroff. Sie habe sich nichts vorzuwerfen. Wenn Nüssler meine, sie hätte einen Fehler gemacht, solle er ein Disziplinarverfahren einleiten. „Ich werde mich zu wehren wissen“, schließt sie. Ehe ihr Boss dazu kommt, eine Antwort zu formulieren, oder sie mit seinem Spruch
Weitere Kostenlose Bücher