Rosentod: Thriller (German Edition)
an der Arbeit sind. Ein Zeltdach schützt einen aufgequollenen, tropfnassen, mit Ketten umwickelten Sack auf der Fahrbahn. Nach drei Seiten hin sind transportable Rollbalken aufgezogen, um die Leiche vor neugierigen Blicken zu schützen. Ulla bittet zwei uniformierte Beamte, die Metallsteher und das Absperrband aus dem Fahrzeug der Spurensicherung zu holen und den Tatort weiträumig abzusperren.
„Wer hat das da entdeckt?“
„Die Feuerwehr. Im Zuge einer Ausbildungsfahrt mit der Zille.“
„Lass mal sehen“, bittet Ulla den Spurensicherer. Der schaut sie zwar zweifelnd an, akzeptiert dann aber ihr aufforderndes Nicken und zieht den aufgeschnittenen Teil der Sackkombination mit einem Ruck nach unten.
Oh Gott! Wie vom Blitz getroffen wankt die Chefinspektorin zurück. Brechreiz. Innerhalb von Sekundenbruchteilen wird ihr übel. Sie schafft noch genau sieben Schritte, ehe sie ihr Frühstück in die angrenzende Wiese kotzt.
„War das denn jetzt wieder notwendig?“, knurrt Maringer neben ihr und sieht missmutig zu, wie sie sich schwankend niederhockt und sich in einem zweiten Schwall gleich nochmals erleichtert. Die beiden Spurensicherer tuscheln. Der jüngere von ihnen lacht. Maringer wirft ihm einen warnenden Blick zu, und er verstummt.
Motorengeräusch. Das wird Nüssler sein.
Wieder ein Schwall Magensäure, begleitet von ekelhaft saurem Gestank.
„Geht es wieder?“ Fürsorglich beugt sich Joe zu Ulla und reicht ihr ein Taschentuch.
„Alles okay“, haucht sie, trocknet sich den Mund ab und kommt ächzend hoch.
Der Kripochef steht genau in der Sonne. Hinter ihm der Schatten eines Mannes.
„Darf ich vorstellen? Chefinspektorin Ulla Spärlich, meine Stellvertreterin“, hört sie den Major sagen. „Sie leitet die Ermittlungen im Fall Elke Röhm. Das hier ist Chefinspektor Bernd Koschinsky, Landeskriminalamt Graz, Morddezernat. Der Kollege muss an einer Besprechung beim hiesigen Landesgericht teilnehmen, will sich aber vorher die Sache hier ansehen.“
„Wie bitte? Halt mich“, flüstert Ulla schwankend und stützt sich schwer auf Maringers Arm. Das ist unmöglich, redet sie sich ein. Sie träumt nur. Oder sind die Geister der Vergangenheit nun endgültig dabei, sie in den Wahnsinn zu treiben?
Mit einem Mal schaut der Himmel aus, als sei er in flüssiges Silber getaucht, und die Wasser des Flusses rauschen lauter als sonst.
Ein strammer Wind kommt auf.
Er treibt die grauen Wolken ungestüm nach Osten.
3
AUFERSTEHUNG
„Denn die Sehnsucht nach dir hält mich gefangen, bis du mich aus meiner Einsamkeit erlöst.“
(Mönch von Salzburg, „Das Nachthorn“, 1350)
Es beginnt wie damals.
Ein strahlendes Lächeln, das die makellos weißen, ebenmäßigen Zähne des Mannes Anfang 40 zum Vorschein bringt. Seinerzeit hat sie sein Lachen fasziniert. Dafür hat sie bezahlt.
Mit äußerster Beherrschung neigt sie leicht den Kopf, übersieht Koschinskys entgegengestreckte Hand und bemüht sich um ein einigermaßen akzeptables Lächeln. „Freut mich.“ Ist das wirklich sie, die das sagt?
„Die Kollegin steht offenbar noch unter Schock“, lispelt der Grazer Kollege, wischt sich die Hand an der Hose ab, dreht sich um und begrüßt den Polizeiarzt.
Ob es sich bei der Frau tatsächlich um Elke Röhm handelt, will Nüssler wissen. Ulla nickt, während sich Koschinsky mit dem Doktor die Leiche ansieht. Die Hände zu Fäusten geballt.
Maringer meint, Ulla solle sich zur Erholung ins Auto setzen, doch dazu ist sie zu nervös. Bernd. Was will der hier? Was tut der hier? Sie will ihn hier nicht sehen.
Koschinsky kommt zurück. Schweigend. Mit finsterem Gesicht wendet er sich an Nüssler.
„Eine junge Frau, gefesselt, geknebelt, nackt in einen Sack gesteckt und ins Wasser geworfen“, grunzt er verbittert und mustert den Major mit zusammengekniffenen Augen. „Ein klarer Fall fürs Landeskriminalamt. Vorbehaltlich der Entscheidung meines Chefs werde ich mich bei der Besprechung im Landesgericht vertreten lassen und übernehme die Ermittlungsleitung. Was nicht heißt, dass ich nicht die Unterstützung der örtlichen Kriminalabteilung gebrauchen kann.“
„So? Mal sehen“, murmelt Ulla böse und pariert den spöttischen Blick, den ihr Koschinsky zuwirft, so kühl wie möglich.
Verärgert fragt Nüssler, was mit Ulla los sei. Natürlich werde der Kollege aus dem LKA jede Unterstützung erhalten, die er brauche! Falls sie sich aber aus dem Fall zurückziehen wolle, sei das klarerweise zu
Weitere Kostenlose Bücher