Rosentod: Thriller (German Edition)
Und nicht nur aus Trotz. Auch aus Interesse.“
„Und Männer?“ Die Frage ist Joe wichtig, das ist ihm anzusehen.
„Es gab da jemanden in Graz“, gesteht sie zögernd. „Hat unschön geendet. Und hier hatte ich etwas mit einem Studenten. Er war eine Kröte. Es ist aus.“
Dem Cocktail folgt ein Glas Rotwein und noch eins.
„Du hast nicht besonders viel Glück in der Liebe, scheint mir“, meint Maringer.
Ulla nickt.
Joe holt eine neue Flasche Rotwein und öffnet sie. Verlegenes Lachen. Irgendwie traut sich keiner, noch etwas zu sagen. Wie limitiert die Möglichkeiten der Sprache doch sind, überlegt Ulla. Um wie viel mehr eine Berührung aussagt. als ein Wort.
„Komm“, sagt Joe. „Wir gehen in den Keller.“
Ulla akzeptiert es mit einem Lächeln.
Auf dem Weg nach unten plaudert er über seinen Plan, sich einen ganz seltenen Raubfisch zuzulegen. Die Farbe des Arapaima Gigas schwanke zwischen einem silbrigen Grün und einem ganz eigenartigen Rosa, und er ernähre sich von Fröschen, kleineren Fischen und Piranhas, erzählt er. „Ich werde sogar ein eigenes Aquarium für diese Fische bauen. Etwas ganz Einzigartiges.“
Als sie vor seinen riesigen Süßwasserrochen stehen, die fast wie kleine Raumschiffe durch das wunderbar fluoreszierende Wasser gleiten, legt er die Hand auf ihre Schulter. Gänsehaut überzieht ihre Arme und sie dreht den Kopf zur Seite, aber er nimmt sie fester und lässt seine Lippen in ihre so empfindliche Halsbeuge tauchen.
„Machst du mir den Hof?“, raunt sie.
„Natürlich“, gesteht er. „Ich würde es mir nie verzeihen, wenn ich es nicht täte.“
„Ach, Gott. Was hast du vor?“, flüstert sie, als er ihr durchs offene Haar fährt. Wie unabsichtlich streichelt sie dabei seine Wangen, und als er das Gesicht hebt, bleiben ihre Finger an seinen rauen Lippen hängen. Unwillkürlich zittern ihr die Knie. Mit geschlossenen Augen genießt sie seine schiebenden, drängenden, bebenden und endlich streichelnden Hände.
„Mach schon“, keucht Ulla endlich, während seine Zunge in ihr linkes Ohr gleitet. Ein Taumeln. „Schnell. Komm.“
Sanft zieht Joe seine Beute zu Boden und knöpft Ullas Bluse auf. Dann schiebt er ihr den Rock hoch und zerrt ihr den Schlüpfer über die Knie. Ein ganz besonders schöner Rochen drückt sich an die Scheibe des Aquariums und lässt seinen Stachel im Wasser kreisen.
Wenn jetzt die ganze Welt in Scherben fiele, kommt es Ulla in den Sinn: Sie stürbe als glücklicher Mensch.
„Okay, du hast Sex mit mir gehabt, aber bilde dir deswegen bloß nichts ein, hörst du?“ Sofort bereut Ulla, was ihr da soeben herausrutschte, aber gesagt ist gesagt.
Verärgert schiebt Joe seine Kaffeetasse zurück, springt auf und geht. Sie tut, als sei nichts gewesen, isst ihren Toast auf und wünscht den drei Kollegen vier Tische weiter die Pest an den Hals. Ersticken sollen sie dabei, wenn sie diese Szene weitererzählen.
Kaum hat sie die Kantine verlassen, schlägt ihr Telefon Radau. Nüssler ist dran. „In der Mur liegt eine Leiche“, sagt er kurz und bündig. „Eine junge Frau.“
Ulla ist wie vom Donner gerührt. Sie braucht ein paar Sekunden, um die Nachricht zu verdauen. Dann aber geht es mit Volldampf die Treppe hoch. Hinein ins Büro, die Pistole aus dem Spind geholt, durchrepetiert und ins Holster gesteckt. Kugelschreiber und Notizheft in die Jackentasche geschoben, zurück ins Parterre, in den Hof gelaufen und in den nächstbesten Dienstwagen gehechtet. Auf den Beifahrersitz wohlgemerkt, denn am Steuer sitzt Joe.
„Schön, dass du da bist.“
Ein kurzer Satz. Gesprochen mit der unschuldigsten Miene der Welt, ohne einen Schimmer von Verlegenheit. Vorsichtig hebt Ulla den Kopf, um sich zu vergewissern, welchen Eindruck das Gesagte auf ihn hinterließ.
Offenbar keinen.
„Na, dann fahr doch.“
Vom Kommissariat zum Tatort braucht man normalerweise 20 Minuten. Maringer schafft es in zehn, und als Ulla an der gesperrten Brücke mit bleichem Gesicht aus dem Dienstwagen taumelt, hätte sie ihm am liebsten eine geknallt.
Die wichtigsten Maßnahmen vor Ort sind getroffen. An jedem Brückenende zwei Streifenwagen quer zur Fahrbahn gestellt, und jeweils vier Uniformierte davor. Die haben auch schon alle Hände voll zu tun, um Schaulustige abzuhalten.
„Wir brauchen mehr Leute hier, Joe“, sagt Ulla und Maringer greift nach dem Funkgerät, während sie zu den beiden Kollegen der Tatortgruppe läuft, die in ihre Kunststoffoveralls gehüllt schon
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