Rosentod: Thriller (German Edition)
Lehrveranstaltungen Elke Röhm heute besuchen würde, wenn sie noch am Leben wäre.
Dass die Polizei sich erdreistet, ohne Genehmigung des Rektors und ohne Begleitung universitärer Funktionäre in eine Lehrveranstaltung zu platzen, war noch nicht da. Dementsprechend groß ist die Verwirrung, als Ulla genau das tut.
Der Lehrsaal ist groß, modern ausgestattet und zu gut zwei Dritteln gefüllt. Durch die hohen, schmalen Fenster kann man den Innenhof der Uni sehen, der zum Großteil im Schatten liegt. Der Vortragende ist völlig irritiert, als Ulla so mir nichts dir nichts hereinschneit und sich als Kriminalbeamtin zu erkennen gibt. Nach einer kurzen Erklärung überlässt er ihr aber verdattert das Podium.
Ullas Rede ist kurz und schmerzlos. „Elke Röhm vergewaltigt und bei lebendigem Leib in der Mur ersäuft. Wer kann mir dazu etwas sagen? Wem ist im Umfeld der Ermordeten etwas Ungewöhnliches aufgefallen? Wer weiß über Freunde und Feinde Bescheid? Ich bin für Informationen aller Art dankbar.“
Zunächst ist es totenstill. Es folgt aufgeregtes Tuscheln.
„Hat mir jemand etwas zu sagen?“
Niemand meldet sich.
„Na schön. Muss ja nicht gleich sein“, lenkt Ulla ein. „Ich stehe ja auch noch nach Ende der Vorlesung zur Verfügung. Im Korridor.“ Sicherheitshalber schreibt sie ihre Telefonnummer und E-Mail-Adresse gut leserlich aufs Flipchart, ehe sie den Saal verlässt.
Im Flur ist alles ruhig. Ulla denkt nach. Ob ihr Auftritt etwas einbringt? Müsste er eigentlich. Da drinnen sind mehr als 80 Leute versammelt. Da kann sie mit Fug und Recht den einen oder anderen Tipp erwarten.
Zehn Minuten später öffnen sich die Türen des Lehrsaals. Getrampel, Gedränge, Gemurmel und Geschrei. Wie ein Wasserfall ergießt sich die Masse der Studenten in den Korridor. Von Ulla nimmt jetzt niemand mehr Notiz. Weder die Studenten, noch ihr Professor.
„Sie haben Elke doch gekannt“, spricht sie eine Studentin an. Die dreht den Kopf zur Seite und geht einfach weiter. Also fragt sie noch jemanden. Vergeblich. Alle tun so, als sei die Chefinspektorin gar nicht vorhanden.
Wenig später ist alles ruhig.
Ulla steht immer noch auf dem Flur.
Aus heiterem Himmel fühlt sie sich unendlich müde. Wieso lässt Elkes Schicksal diese Leute so kalt? Wo ist sie denn, die viel beschworene Einheit der Studierenden? Solidarität! Auch nur noch ein Wort, wie so viele andere. Immer wieder wird Ulla von den Menschen enttäuscht. Vor allem von der Jugend. Von der erwartet sie sich eigentlich viel. Stattdessen diese verdammte Gleichgültigkeit. Das tut weh. Nach wie vor.
Kaum steigt sie in den Dienstwagen, klingelt ihr Telefon. Eine weibliche Stimme meldet sich.
„Hallo? Frau Spärlich?“
„Höchstpersönlich“, bestätigt Ulla. „Wer sind Sie? Können wir uns treffen?“
„Gott bewahre. Sie kriegen ein paar Anregungen von mir. Hintergrundinformationen. Mehr nicht. Elke nahm Geld von ihren Verehrern. Das Monetäre war ihr immer sehr wichtig. Wenn einer nicht spendabel war, ließ sie ihn fallen. Den einen früher, den anderen später.“
„Woher wissen Sie das?“
„Es ist allgemein bekannt. Judith weiß es auch. Judith Amras. Die kennen Sie doch. Ich sah Sie zusammen.“
„Judith? Welchen Bezug hat die denn zu Elke?“
„Den Ledersprung“, lacht ihre Gesprächspartnerin. „Sie absolvierten ihn hintereinander. Danach waren sie eine Zeit lang befreundet. Wie eng, darüber scheiden sich die Geister. Übrigens existiert neuerdings eine ziemlich seltsame Homepage im Internet. Sie heißt www.rosentod.com . Da sollten Sie einmal hineinsehen. Ich muss jetzt leider auflegen. Viel Glück.“
„Ledersprung“, wiederholt die Chefinspektorin verstört, packt das Handy weg, löst den Sicherheitsgurt und steigt nochmal aus. Hat sie noch nie gehört. Hoffentlich können ihr die Damen im Sekretariat erklären, was das sein soll. Um diese Internetsache kann sie sich ja anschließend noch kümmern.
Dass es jemanden in dieser Stadt gibt, der über die Zeremonie des Ledersprungs nicht Bescheid weiß, irritiert die junge Frau im Sekretariat. Kopfschüttelnd drückt sie der Chefinspektorin einen Prospekt in die Hand. Da könne sie das gerne nachlesen, sagt sie.
Auf der Rückfahrt ins Kommissariat führt Ulla noch ein Telefonat mit Maringer. Koschinsky und er seien mit einem ehemaligen Arbeitskollegen Aschenbrenners im Gespräch, berichtet Joe. Der Kellner wohne am Trabocher See, sei mit allen Wassern gewaschen und leugne, mit dem
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