Rosentod: Thriller (German Edition)
Umständen. Sie hat diesen Grundsatz missachtet. Gleich zweimal. Jetzt kriegt sie, was sie verdient. Ihr wird schon ganz heiß, wenn sie daran denkt, wie gern Männer mit ihren Eroberungen prahlen. Joe wird sie vor den anderen unmöglich machen, sie in den Dreck ziehen, ihr Gefühl mit Füßen treten.
Schweißperlen auf der Stirn. Die Zunge klebt am Gaumen. Im Kopf ein Karussell, dass sich schnell und schneller dreht. Bebend vor Zorn geht sie ans Fenster und starrt verbittert ins Freie.
Der alte Schurrek fällt ihr ein. Seine Beschreibung dieses Verdächtigen. Ein dunkel gekleideter Mann in einem schwarzen Geländewagen. Da schaut einer aus wie Joe, überlegt sie. Und er fährt einen ganz ähnlichen Wagen. Oder war tatsächlich Joe dort? Was hätte Maringer in Schurreks Einfahrt zu suchen? So eine blöde Idee.
Joes Mund fällt ihr ein. Seine zärtlichen Hände. Der Ausdruck in seinem Gesicht, wenn er von den Rochen erzählt. Wenn sie ihm doch bloß blind vertrauen könnte. Andererseits: Wer hindert sie daran? Er könnte ja tatsächlich anders sein als die anderen. Das Zittern ihrer Hände verliert sich. Dann ist sie wieder ruhig.
Es gab schon einen Grund, weswegen er sich klammheimlich dünne machte. Bloß welchen?
Sie wird sich alle Mühe geben, das herauszufinden.
***
Ein paar Stunden später.
Am Marekkai verlässt Judith Amras das Haus und fällt dabei beinahe über eine helle Plastiktüte, worin eine kleine Schachtel verborgen ist.
Nanu? Schokolade? Da hat ihr jemand eine Schachtel Pralinen geschenkt. Irgendwie findet sie das ganz süß, auch wenn sie gar nicht so sehr auf solche Dinge steht. Gedankenverloren steckt sie das Päckchen in ihren Rucksack und macht sich auf den Weg zur Universität.
Unterdessen steht Ulla Spärlich in ihrem Schlafzimmer, schlüpft in enge Jeans und ein weinrotes Sweatshirt, wirft an der Haustür noch einen schwarzen Staubmantel über und tigert in Richtung Stadtzentrum. Erste Risse spalten die trübe Wolkendecke, und als sie die Innenstadt erreicht, kommt ein wunderbar blauer Himmel zum Vorschein.
Die Chefinspektorin denkt nicht viel, während sie so dahin marschiert. Eine vollkommene Leere füllt sie aus. Ihr Körper reagiert wie immer, aber ihr Geist hat sich eine Auszeit genommen. Das tut ihr jetzt ganz gut, findet sie.
Wenig später betritt sie das Kommissariat. Dort herrscht wieder einmal die übliche morgendliche Hektik. Hastende Menschen, soweit das Auge reicht. Dazu rasselnde Telefone.
Weiprecht hat Journaldienst. So wie der ausschaut, würde man meinen, er habe sich die Nacht in einem Puff um die Ohren geschlagen. Ob er wisse, wo sie Maringer und den Kollegen aus dem Landeskriminalamt finde, fragt Ulla.
„Die sind bereits im Außendienst.“
Super. Das nennt man Teamwork. Irgendwie schafft sie es, den spontanen Ärger über diese Nachricht so wegzustecken, dass der Kollege nichts bemerkt. Ruhig nimmt sie die Mappe mit den Meldungen der Nachtstreifen an sich und verzieht sich ins Büro. Dort gießt sie ihre Zimmerlinde und tippt in aller Eile einen Dienstbefehl. Ab sofort wird die Diskothek Moonlight in den Nächten von Freitag auf Samstag und von Samstag auf Sonntag durch jeweils einen Kriminalbeamten überwacht. Die namentliche Diensteinteilung nimmt sie gleich selbst vor.
Nüssler hat ihr eine Notiz auf den Schreibtisch gelegt. Elke Röhms Obduktion ist für heute, halb elf, festgesetzt. Sie soll daran teilnehmen.
Auch das noch. Gut, dass sie ihre alten Jeans trägt und keines ihrer teureren Oberteile. Kann gut sein, dass ihr beim Anblick der Leiche noch einmal übel wird, und sie hat keine Lust, Geld für die teure Reinigung hinauszuwerfen.
Verdrossen wählt sie Joes Telefonnummer, aber der hebt nicht ab. Auch einer von den Kerlen, die nie erreichbar sind, wenn man sie braucht. Typisch.
Mit finsterem Gesicht liest sie, was in der vergangenen Nacht alles abgelaufen ist. Ehestreitigkeiten, Raufereien, Diebstähle, Einbrüche und Widerstand gegen die Staatsgewalt. Das übliche. Ein leichter Anflug von Brechreiz meldet sich.
Hunger? Kann sein. Also ab in die Kantine.
Außer zwei Kollegen vom Einbruch, die in eine heiße Fußballdiskussion verstrickt sind, hängen nur noch der Pächter und zwei Aufräumerinnen im Gastzimmer herum. Ulla besorgt sich einen Cappuccino und setzt sich an einen kleinen Tisch unweit der Eingangstür. Ein rascher Blick in die Zeitung. Die Unterrichtsministerin wirbt in ganzseitigen Anzeigen für ihre Bildungsreform. Ihre letzte
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