Rosentod: Thriller (German Edition)
Gesuchten in Verbindung zu stehen. Zwei Kollegen der Observationsgruppe lauerten schon vorm Haus. Er sei ziemlich sicher, dass der Kellner sich mit Aschenbrenner treffen werde. Das sei nur noch eine Frage der Zeit.
„Wieso jubelt ihr dem Mann nicht einfach einen Peilsender unter?“, fragt Ulla. „Das wäre doch die einfachere Lösung.“
Dazu bräuchten sie einen Auftrag der Staatsanwaltschaft. Das dauere zu lang.
„Aha“, antwortet sie kurz angebunden.
„Was machst du heute Abend?“, fragt er. „Sehen wir uns?“
„Du spinnst wohl.“ Empört legt sie auf. „Schläft mit mir, zischt wortlos ab und will mich am nächsten Abend gleich wieder abschleppen“, faucht sie. „Der hat sie doch nicht alle.“
Kaum betritt Ulla das Kommissariat, muss sie zu Nüssler ins Büro. Seine Bude ist so verraucht, dass Ulla sich beinahe übergibt.
„Ist Ihnen nicht gut?“
Die Chefinspektorin antwortet mit einem Hustenanfall. Missmutig öffnet der Major das Fenster und drückt seine Zigarette aus.
„Dass es der Kripo nicht erlaubt ist, ohne Genehmigung des Rektors in die Uni einzudringen und eine Vorlesung zu stören, ist Ihnen bekannt?“
Ulla nickt.
„Die Beschwerde des Rektors liegt bereits auf Ihrem Schreibtisch“, grinst Nüssler süffisant. „Sie verfassen eine Stellungnahme. Sofort! Es reicht jetzt. Wenn Sie noch einen einzigen Fehler begehen, werde ich Sie von den Morderhebungen abziehen. Ohne Wenn und Aber.“
Wütend springt Ulla auf und geht.
Langsam bekommt die Chefinspektorin im Beantworten von Beschwerden ja eine gewisse Routine. Den einen oder anderen Absatz kopiert sie aus den Rechtfertigungen der letzten Wochen, was ihr natürlich die Arbeit erleichtert. Eine Stunde später ist sie fertig, geht in die Kantine, trinkt eine Tasse Kaffee und isst eine Kleinigkeit.
Kaum ist sie wieder in ihrer Kanzlei, schneit ein Kollege der Spurensicherung herein und legt ihr eine verschweißte Folie mit brisantem Inhalt auf den Tisch. Die Handschellen, mit denen die Leiche Elke Röhms gefesselt war.
„Und? Was soll ich damit?“ Ulla ist jetzt auf Hundert.
„Polizeihandschellen“, behauptet der Kollege und registriert zufrieden, wie sich Ullas Pupillen vor Schreck weiten.
„Unmöglich“, stammelt sie und betrachtet das Beweisstück, als sei es ein seltenes, gefährliches Spinnentier.
„Fehlanzeige“, grinst der Tatortexperte freudlos. „Das sind relativ neue Handschellen der Marke Smith and Wesson M 300 mit der Nummer P 14.873. Aufgrund des eingravierten Buchstabens ist eines völlig klar: Diese Dinger hier stammen aus polizeilichen Beständen. Aus welchem Standort, ist allerdings noch unklar.“
Weg. Fort. Raus hier.
Ist gar nicht so einfach, einen Raum aufzutreiben, wo einen nichts ablenkt. Kein Besucher, kein Kollege, kein Telefon.
Wie und wo man so etwas findet?
Das Damenklosett ist meist verwaist. Kein Wunder, es gibt ja auch bloß das eine in dieser Etage, und wenn es nicht von weiblicher Kundschaft okkupiert ist, gehört es Ulla und sonst niemandem.
Stolz auf ihr kleines Reich sperrt sie sich ein, ohne dabei das Licht anzuschalten. So sitzt sie eine Weile im Halbdunkel des etwa fünf Quadratmeter großen, fensterlosen Abteils und zerbricht sich den Kopf.
Polizeihandschellen. Was bedeutet das? Hat der Täter die Fesseln gestohlen? Natürlich könnte er sie auch gefunden haben, sofern ein Kollege sie verloren hat. Also: Vermisst man ein Paar? Wenn ja: Wo? Sie wird alle Polizeidienststellen abfragen. Bundesweit. Und wenn der Mörder Polizist ist? Eiskalt läuft es Ulla über den Rücken, als sie den Wahrscheinlichkeitsgrad dieser Variante abwägt. Das darf nicht sein, sagt sie sich. Andererseits weiß sie, dass nichts unmöglich ist. In diesem Zusammenhang erschreckt sie das.
Der alte Schurrek fällt ihr ein. Seine Beschreibung des Typen, der sich auf seinem Firmengelände herumtrieb. Ob Joe seine Handschellen noch besitzt? Unsinn, korrigiert sie sich sofort. Wie kann sie an so etwas auch nur denken? Und doch: Ullas Gehirn läuft heiß. So rasch, dass sie es in dieser Enge nicht mehr aushält. Hastig steht sie auf, betätigt ganz automatisch die Wasserspülung, schüttelt über sich selbst den Kopf und läuft ins Parterre. Dort besorgt sie sich vom Journalbeamten den Zentralschlüssel und schleicht in die Personalabteilung.
Joe Maringers Personalakte zu finden, dauert nicht lange. Mit zitternden Händen kopiert sie den Akteninhalt sowie das Foto, das anlässlich der Ausgabe neuer
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