Rosentod: Thriller (German Edition)
Nachtisch eine Götterspeise. Dazu trinken sie einen herrlich trockenen Weißwein aus der Wachau, beide schon innerlich vibrierend.
„Du hast mir etwas zu sagen?“
„Weiß ich nicht mehr“, murmelt er.
„Könnte es sein, dass du uncharmant sein wolltest? Oder gar böse?“
„Durchaus“, gibt er zu.
„Und jetzt?“
„Will ich mit dir schlafen.“
„Ich hör dich nicht. Was sagtest du?“
„Ich kann es kaum noch aushalten.“
„Ich auch nicht“, flüstert sie und schluckt.
„Dann komm.“
Geduld. Erst muss sie noch den Dienstwagen zurückbringen.
20 Minuten später. Als Ulla das Auto im Hof des Kommissariats abstellt, knattern die Schnüre an den Fahnenstangen davor wütend im auffrischenden Wind.
In seinem Zimmer im Neubau zieht sich Koschinsky gerade ein neues Hemd über, während zehn Meter unter ihm Ulla auf den Journalbeamten trifft. Der faselt etwas von einer Fahndung nach zwei Einbrechern und ersucht um Genehmigung einiger Überstundenanordnungen. „Natürlich. Selbstverständlich.“ Mit hochrotem Kopf unterschreibt sie blind, was er ihr vorlegt und denkt dabei an Joe, der vor der Mauer auf sie wartet.
„Wir fahren zu mir nach Hause“, entscheidet Ulla zappelig, als sie in seinen Jeep springt.
Die kurze Fahrt bringt ihre beiderseitige Erregung zum Siedepunkt. Kaum betreten sie den Korridor, schiebt Joe ihr auch schon die Hand unter den Rock und sie umarmt ihn. Dann taumeln sie eng umschlungen ins Schlafzimmer.
Ulla macht kein Licht, als er ihr die Kleidung abstreift. Mit ausgebreiteten Armen liegt sie da und stellt die Beine auf, während seine Zunge eine dünne Speichelspur über ihre Oberschenkel zieht.
„Ach du.“ Atemloses Flüstern, gepresstes Stöhnen.
Ullas Pupillen werden ganz weit.
Durch das Fenster grüßt ein randvoller Mond.
Goldenes Licht gleitet über zerwühlte Laken.
Und in der Luft liegt purer Engelsstaub.
Als die Nacht am schwärzesten ist, öffnet Ulla die Augen.
Was sie alarmiert hat, kann sie nicht sagen. Ein verdächtiges Geräusch? Üble Gerüche? Keine Ahnung.
Joe?
Der Platz neben ihr ist leer.
Nervös zerrt sie die Pistole aus dem Nachtkästchen, repetiert sie durch, huscht ans Fenster und öffnet es einen Spalt breit. Einen vorsichtigen Blick auf Parkplatz und Straße geworfen und die Ohren gespitzt. Rechts, wo ein Gehweg in den Parkplatz mündet, steht jemand und blickt zu ihrem Fenster hoch. Da drüben, direkt vor der kleinen Kapelle. Hastig drückt sie das Fenster zu, dreht sich um, hetzt über die Treppe nach unten und öffnet die Haustür. Mit gezückter Waffe steht sie da und beobachtet vorsichtig die Umgebung. Minutenlang.
Zwar sieht und hört sie jetzt niemanden mehr, aber das Herz schlägt ihr dabei bis zum Hals. Der Typ war real. Sie ist ganz sicher. Was wollte der denn? Wohin verpisste der sich? Es könnte natürlich auch Joe gewesen sein. Joe? Wo ist der eigentlich? Sie hätte gute Lust, in die Dunkelheit hineinzulaufen und den Kerl zu stellen, aber sie ist splitternackt und es ist kalt. Fröstelnd versperrt sie die Tür und eilt zurück ins Schlafzimmer.
Zerwühlte Kissen.
Spuren auf dem Leintuch.
Die Sache mit Joe war doch nicht geträumt.
Fragt sich nur, wohin er so plötzlich verschwunden ist. Und wieso er sich davon gemacht hat, ohne sie zu wecken. Wenn ihr wenigstens nicht so der Schädel brummen würde. Jeder Gedanke ein Schmerz, der bis in die Ohren ausstrahlt. Im Sitzen ist das Stechen hinter den Schläfen weitaus besser zu ertragen, als im Liegen. Ulla schluckt eine Schmerztablette, funktioniert ihr Kopfkissen in eine Lehne um, hockt sich ins Bett, zieht die Beine an und hält sich den Kopf. Lange Zeit denkt sie an Maringer, bis sie endlich wieder eindöst.
Um sechs ist sie putzmunter und geht duschen. Kalt und heiß und wieder eiskalt. Das bringt alles wieder ins Lot. Zumindest körperlich.
Na gut, Joe ist verduftet. Wahrscheinlich misst er einer solchen Nacht nicht die Bedeutung zu, wie sie das tut. Liebe muss ja nicht besagen, den Verstand zu verlieren, kommt es ihr in den Sinn.
Nicht?
Aber das ist doch der Indikator dafür, sagt eine andere Stimme in ihr. Oder Joe wollte bloß Sex. Natürlich. Das wollen die doch alle, und dann nichts wie weg. Irgendetwas zu zertrümmern wäre jetzt schön. Oder mit dem Kopf gegen die Wand rennen, bis das Blut spritzt. Sich die Dummheit aus dem Leib prügeln, am besten mit einer Peitsche. Wie lautet die eiserne Regel? Lass dich nicht mit einem Kollegen ein. Unter keinen
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