Rosentod: Thriller (German Edition)
Kampagne kostete 900.000 Euro. Einerlei. Zahlt ja sowieso der Steuerzahler. Und die Innenministerin? Die sucht zehn Polizisten für einen Einsatz in Afghanistan. Hoffentlich ist keiner so blöd, sich für dieses Himmelfahrtskommando zu melden. Was haben wir denn in Asien verloren? Unsere Front verläuft im Heimatland. Da fehlt das Personal an allen Ecken und Enden, aber das dürfte unseren Politikern noch gar nicht aufgefallen sein.
Seufzend schluckt sie einen Appetitzügler und spült mit Kaffee nach. Dann telefoniert Ulla mit ihrem Anwalt. Der hat ihrem Exfreund bereits die Klageschrift zugestellt. Also wird sie ihr Geld bald bekommen. Garantiert. Zufrieden begleicht sie die Rechnung, eilt in den Hof, schnappt sich ein Dienstauto und fährt in die Gerichtsmedizin, die seit zwei Jahren im Keller des Landeskrankenhauses untergebracht ist. Ein typisch österreichisches Provisorium. Pathologe. Na, das wäre ein Beruf. Schauerliche Vorstellung.
Verdrossen sucht Ulla die Katakomben auf. Über die Treppe, nicht mit dem Fahrstuhl. Das erscheint ihr als das zweckmäßigere Mittel zum Abstieg in die Unterwelt.
Die kalten Kellerräume mit ihren Fliesenböden, auf denen jeder Schritt hallt, als spaziere man durch eine Kathedrale, bringen im Hochsommer aufgeheizte Körper schnell wieder auf Normaltemperatur. Jetzt schreibt man aber März, und Ulla ist noch ziemlich ausgefroren. Sofort beginnt ihre Nase zu rinnen. Wo ist ein Taschentuch? Umständliches Kramen in der Handtasche. Die Chefinspektorin schnäuzt sich. Das fehlte gerade noch. Sich in diesem Eisschrank womöglich zu verkühlen.
Die Obduktion wird der erwartete Horror. Der sterile Raum setzt Ulla ebenso zu, wie der unerträgliche Gestank nach Desinfektionsmitteln. Die blasse Medizinerin und der fette, dümmlich grinsende Assistent tun ihr Übriges. Von der gallertartig wabbelnden Leiche auf dem Seziertisch ganz zu schweigen. Gleich drei Mal verlässt die Chefinspektorin den Raum und läuft auf die Toilette. Der Staatsanwalt und seine Schreibkraft flüchten ein Mal öfter als sie und rauchen auch noch auf dem Flur, um ihre angegriffenen Magennerven wieder zu beruhigen.
Eine Stunde später ist alles klar. Was Elke Röhm passiert ist, lässt sich kaum beschreiben. Gefesselt, gefangen gehalten, geschlagen und mehrfach vergewaltigt. Etwa 20 Stunden danach wurde sie bei lebendigem Leib in der Mur versenkt. „Details kann man meinem schriftlichen Gutachten entnehmen“, murmelt die Medizinerin mit ausdruckslosem Gesicht. Ulla ist so entsetzt, dass sie sich die Ohren zuhält, was ihr einen spöttischen Seitenblick der Pathologin einträgt.
Draußen vor dem Krankenhaus scheint eine blasse Sonne, und die Luft hat den faden Beigeschmack ausgelaufenen Motoröls. Alles geht seinen gewohnten Gang, während im zweiten Untergeschoss der Assistent der Gerichtsmedizinerin einen Haufen lebloses Fleisch in die Kühlung rollt. Ein aufgedunsenes Etwas, das einmal eine lebenslustige, junge Frau gewesen war.
Ulla zittern die Knie. Sie fühlt sich, als wäre soeben eine riesige Herde Kühe über sie hinweggetrampelt. Jetzt muss sie sich erst einmal etwas beruhigen.
Fragt sich nur, wo?
Auf alle Fälle weit weg von den Kollegen.
Gedankenverloren fährt Ulla ins Stadtzentrum, parkt den Dienstwagen vor der nächsten Polizeidienststelle, setzt sich an den Tresen eines kleinen Pubs am Hauptplatz und trinkt einen doppelten Cognac.
An der Wand vor ihr hängt ein großer Flachbildfernseher, wo der Bericht eines Lokalsenders läuft. Eine Reportage, in der von der Jagd nach Aschenbrenner die Rede ist. Koschinsky spricht. Nüssler ebenfalls. Ihr Name kommt nicht vor. Glücklicherweise. Seit der Sache in Graz ist es Ulla lieber, wenn sie in Nachrichtensendungen keine Rolle mehr spielt.
Ihr Kopf. Fahrig greift die Chefinspektorin nach einer Schmerztablette. Kaum hat sie die Pille mit einem Glas Wasser hinuntergespült, klingelt ihr Telefon. Maringer meldet sich. Es gäbe einen Hinweis darauf, dass sich Aschenbrenner eventuell in der Nähe des Trabocher Sees aufhalte. Im Augenblick klappere er mit Koschinsky mehrere Häuser am Seeufer ab. Details erzähle er ihr später. Und der Herr Ermittlungsleiter lasse grüßen. Ganz herzlich.
Koschinsky. Der kann sie mal.
Joe übrigens auch.
Ein schnelles Sandwich noch und weg hier. Eine Viertelstunde später marschiert sie schon durch die Franz Josef-Straße zur Universität, stürmt ins Sekretariat, blättert im Studienplan und klärt ab, welche
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