Rosentod: Thriller (German Edition)
Dienstausweise geknipst worden war, steckt die Mappe wieder in den Aktenschrank, löscht das Licht und geht.
Auf dem Korridor überrascht sie ein Anruf ihres Anwalts.
Franks Auto ist verkauft. Morgen wird er die Kohle überweisen. Eine gute Nachricht. Trotzdem kommt bei ihr keine rechte Freude auf. Die Sache mit den Handschellen belastet sie. Nüssler soll davon erfahren, aber muss das gleich sein? Morgen früh, nimmt sie sich vor. Gleich morgen redet sie mit ihm.
Rasch formuliert sie noch eine Anfrage zu den Handschellen und versendet sie bundesweit. Es folgt ein kurzes Gespräch mit dem Journalbeamten. Dann ist Schluss für heute.
Draußen ist es kühl und windig. Sie nimmt den Weg am Gymnasium vorbei und über den Marekkai. Ulla trachtet danach, den Kopf wieder frei zu bekommen. Als sie die Waasenbrücke überquert, ruft Koschinsky an und will sich mit ihr treffen. Sie lässt ihn kalt abblitzen und legt rasch auf.
Zu Hause ist es beängstigend still.
Hunger. Ulla isst etwas Obst, schluckt einen Appetitzügler, trinkt viel Tee, zieht sich um, rennt ostwärts bis an den Ortsrand von Proleb und wieder zurück. Danach ist sie ziemlich geschlaucht, aber immerhin machen ihre Rippen keinen Ärger mehr.
Jetzt noch dehnen, duschen, umziehen.
Judith Amras fällt ihr ein. Behauptete die nicht, Elke Röhm kaum zu kennen? Das war gelogen.
Alles verwirrt sich mehr und mehr.
Hat Koschinsky Recht, der ihr Ausbildung und Erfahrung in solchen Dingen rundweg abspricht?
Langsam zweifelt Ulla ja selbst schon daran, dass sie wirklich in der Lage sein wird, die Geschehnisse völlig zu durchschauen.
Kurz vor 23 Uhr fährt Ulla mit dem Taxi ins Moonlight. Die rothaarige Kellnerin mixt gerade ein paar Drinks, als die Ermittlerin eintritt.
„Servus.“
„Wie geht’s? Wieder alles okay?“
„Alles bestens“, lügt Ulla routiniert, bestellt ein Glas Rotwein, stürzt es hinunter und ordert gleich noch eins. Es sind schon ganz schön viele Gäste da, aber die Musik ist noch nicht angedreht. Ideal für ihr Vorhaben. Mit einem unguten Gefühl im Magen zieht Ulla Joes Foto hervor und stellt ihre Fragen.
Die Antworten fallen aus wie befürchtet.
Jetzt verflucht Ulla ihre Neugierde, aber es ist zu spät. Sie muss aus den Informationen, die sie bekommen hat, auch etwas machen. Zehn Minuten später ist sie per Taxi wieder auf dem Heimweg. Hilflos, ratlos und verstört.
In der Disco winkt unterdessen Bernd Koschinsky die Kellnerin an seinen Tisch, zeigt ihr seine Dienstmarke und erkundigt sich, was die Kollegin vorhin von ihr wollte.
Inzwischen wird es Mitternacht. Nervös betritt Ulla ihre Wohnung, geht in die Küche, kocht eine Kanne Tee, setzt sich auf ihr Grübelplätzchen und denkt nach. Maringer war also im Moonlight, als Elke Röhm verschwand. Und wieder denkt sie an den Alteisenhändler Schurrek. Joe fährt einen schwarzen Jeep. Ein Witwer, der allein lebt. Würde kaum jemandem auffallen, wenn der ein Mädel 20 Stunden lang gefangen hält.
Während sich Ulla mit Gedanken dieser Art quält, hält ein Jeep in der Südbahnstraße. Ein schwarz gekleideter Mann steigt aus und peilt die Lage. Alles ruhig. Null Fahrzeugverkehr und kein Mensch zu sehen. Ausgezeichnet.
In dem Moment, in dem er sich anschickt, zu Ullas Haustür zu schleichen, rollt hinter ihm ein Polizeiwagen heran. Einer der beiden Sheriffs steigt auch prompt aus. Die Hand am Colt.
„Was machen Sie da?“, fragt er barsch und leuchtet dem Ertappten mit der Taschenlampe ins Gesicht.
Ein stummes Winken, gefolgt vom Griff nach dem Führerschein.
„Ach so“, lächelt der Polizist, wirft einen oberflächlichen Blick auf das Dokument und gibt es wieder zurück. „Sie sind es. Schönen Abend noch.“
Stumm nickt Max Paulik dem Beamten zu, dreht sich um und steigt in den schweren Geländewagen.
Augenblicke später ist der Jeep verschwunden.
***
Eine furchtbare Nacht.
Immer wieder schreckt Ulla auf. Schweißnass. Raus aus den Klamotten. Rein in ein neues Nachthemd. Wieder und wieder.
Um halb fünf taumelt sie ins Wohnzimmer, lümmelt sich in den alten, durchgesessenen Lesesessel und versucht, sich mit einem Buch zu beruhigen. Erfolglos. Dann eben weg mit dem blöden Wälzer.
„Bitte, lieber Gott, lass es bloß eine Häufung unglücklicher Umstände sein“, murmelt sie verzagt, geht in die Küche, holt einen dieser wunderbar ausbalancierten italienischen Rotweine aus ihrem Weinregal und füllt ein langstieliges Glas. Joe, ein Mörder? Das würde ihr das
Weitere Kostenlose Bücher