Rosentraeume
Falte.
Der König winkte ab. »Zeigen wir es ihm! Los doch! Warrick und ich werden ins Kartenzimmer gehen und einen Hafen aussuchen, von dem wir lossegeln. Dover oder Sandwich können wir nicht nehmen. Philipp würde viel zu schnell davon erfahren. Wir brauchen einen Hafen mit einer großen Flußmündung, in dem sich der größte Teil der Flotte verstecken kann, während sie sich dort sammelt.«
Hawksblood musterte Edward III. eingehend. Er war extravagant, prunksüchtig und prahlerisch, doch gleichzeitig auch mutig und entscheidungsfreudig. Hier hatte man es nicht mit einem Marionettenkönig zu tun, sondern mit einem Eroberer.
Prinz Edward führte Christian Hawksblood zu einer Wiese, wo ungefähr zweihundert Männer mit Pfeil und Bogen Ziel-schießen übten. Auf den ersten Blick hielt Christian die Bögen für primitiv. Hegten sie etwa die Hoffnung, die genuesischen Kreuzbögen zu übertreffen, die so konstruiert waren, daß sie immer ins Ziel trafen?
»Habt Ihr keine Kreuzbögen?« fragte er Edward.
»Doch, die haben wir. Aber wir sind davon überzeugt, daß Langbögen ihnen überlegen sind.«
Christian nahm einen der Bögen in die Hand. Er war länger als sechs Fuß und sehr leicht. Die Pfeile besaßen eiserne Spitzen, die Federn daran stammten von der normalen Graugans, die in England heimisch war.
Der Prinz sprach mit einigen der Männer, die ihre Waffen von einem Waffenwagen nahmen. Einer wählte einen Langbogen, einer einen Kreuzbogen. »Gebt euer Bestes«, sagte Edward.
Die Männer stellten sich auf. Der Mann mit dem Kreuzbogen kniete sich nieder, um seine schwere Waffe beherrschen zu können. Er legte den Pfeil ein, spannte den Bogen und ließ den Pfeil losschnellen. Der Mann neben ihm blieb stehen: In der Zeit, in der sein Kamerad mit einem Pfeil fertig würde, hatte er dreimal geschossen.
Edward und Christian liefen über die Wiese, um sich die Zielscheiben anzusehen. Alle Pfeile hatten genau das Ziel getroffen, doch diejenigen des Langbogens waren hindurchgedrungen und steckten bis zum halben Schaft fest.
»Himmel! Diese Langbögen besitzen eine ungeheure Schlagkraft. Ich möchte lernen, wie man diese Waffe bedient.«
Edward grinste ihn an. »Dieses sind normale Fußsoldaten, gemeine Freibauern oder Waliser. Ein edler Ritter würde sich mit einem Langbogen nicht abgeben.«
Ihre Blicke begegneten sich und hielten einander gefangen. »Ihr seid ein Meister dieser Waffe?«
»Das bin ich«, gab Prinz Edward zu. Sie waren einander so ähnlich. Beide besaßen das brennende Verlangen sich auszuzeichnen. In allem.
Die nächsten drei Stunden vergingen wie im Flug, während Hawksblood ganz vertieft war in die Herausforderung, sich diese neue Fähigkeit anzueignen und sie zu beherrschen. Edward, von dieser Technik gleichermaßen begeistert, lehrte ihn alle Feinheiten. Schon bald hatten sie sich auf einer anderen Wiese des gegenüberliegenden Themseufers ein Ziel aufgebaut und waren entschlossen, dieses Ziel über den Fluß hinweg von ihrer Seite aus zu treffen.
Zu diesem Zeitpunkt hatten Ali und Paddy Hawksblood endlich aufgespürt. Sie hatten ihre sämtlichen Pferde in den königlichen Stallungen untergebracht und auch einen Platz für sich in den Baracken der Soldaten gefunden. Doch wußten sie nicht, wo ihr Herr wohnen sollte. Würde er im Flügel der Beauchamps ein Zimmer bekommen, oder wollte er lieber sein Zelt aufbauen, in dem er während der Feldzüge immer schlief?
Prinz Edward erledigte diese Frage. »In der Nähe meiner Räume gibt es freie Räume. Sie gehörten meinem Cousin, Edmund von Kent, doch der hat sich ein Stadthaus in London gekauft. Kommt mit, ich zeige sie Euch.«
In diesem Augenblick erregte eine zierliche Gestalt, die auf den Waffenwagen kletterte, seine Aufmerksamkeit. Mit fünf großen Schritten war er bei ihr. »Was, zum Teufel, tust du da?« fragte er den Pagen mit dem Koboldgesicht, der einen der Langbögen in der Hand hielt. Er gab ihm eine Kopfnuß. »Weißt du nicht, daß du dich hier in Lebensgefahr begibst?«
Das Gesicht des Jungen leuchtete auf bei der Erwähnung der Gefahr, in der er sich befand. »Eure Hoheit, ich habe eine Botschaft von der Prinzessin.« Mit seiner schmutzigen Hand suchte er in der Tasche seiner Livree und zog ein verknittertes Stück Papier hervor.
Edward stöhnte auf. Ohne den Zettel zu lesen, wußte er, was es war. »Ich habe meiner Schwester versprochen, mit ihr auf die Falkenjagd zu gehen. Warum, das weiß ich selbst nicht.« Er blickte
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