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Rost

Titel: Rost Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Meyer
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anderen waren weggegangen.
    »Ich bin wach.«
    »Du musst mir mal gut zuhören«, sagte Black Larry.
    Poe stand von der Bank auf, und Black Larry setzte sich, strich mit
den Fingern durch die blonde Schmalztolle, nahm eine Hantel und fing an zu
stemmen, hätte gut ein Surfer sein können, am Strand in Kalifornien beim
Training, der, den sie im Fernsehen immer zeigten. Gutaussehend, dieser Kerl,
Black Larry hatte etwas Lässiges, es hatte sich mal ein Geschworener in ihn
verliebt. Auch Dwayne und Clovis wirkten jetzt entspannt, sie unterhielten sich
womöglich über Football, aber mit leicht angedeutetem Kinnzucken wies Dwayne
auf den Wärter, der am anderen Ende des Hofs auf und ab ging.
    »Siehst du da den Wachhund? Diese dünne kleine Arschgeige, die sich
nicht traut, uns anzugucken?«
    »Den?«
    »Nicht hinzeigen, verdammt«, rief Clovis und schlug Poe die Hand
runter. »Gott, dieser jämmerliche Wichser.«
    »Clovis«, sagte Larry. »Sag nur deinen Text auf.« Er sah von der
Bank hoch, ließ die Hantel in den Sand fallen.
    »Der Typ da«, sagte Clovis, »wartet morgen früh auf Larry, in dem
Flur zwischen den Duschen und dem Wäscheraum. Das ist ’ne ruhige Ecke, wo man
auch mal reden kann. Und falls du ihn von hier aus nicht erkennen kannst, er
ist ein dünner Wichser mit’m Goatee, sieht aus wie ein Speed-Freak, weil er
einer ist.«
    Poe wusste, was sie gleich von ihm verlangen würden, und ihm wurde
kalt am ganzen Leib, die Härchen auf den Armen und im Nacken stellten sich auf.
Hoffentlich sah man das nicht.
    »Der Mann heißt Fisher«, sagte Dwayne gelassen. »Hat so ’ne Art
Rattengesicht. Auf dem Hemd steht jedenfalls der Name.«
    »Fisher«, sagte Poe abwesend.
    »Sonst wird niemand dort sein. Du tust einfach, was du tust, ganz
einfach.«
    »Und warum?«
    »Diese Scheißfragen«, stöhnte Clovis.
    Larry hob die Hand, als wollte er kapitulieren. »Kann man ja
verstehen, junger Poe. Die Antwort lautet, dass der gute Mr. Fisher Schulden
bei uns hat, es gibt diverse Waren, die wir ihm bezahlt haben und die er uns
besorgen sollte, er behauptet allerdings, sie seien konfisziert worden. Da Mr.
Fisher noch recht neu dabei ist, glaubt er, seine Position erlaubt ihm, uns mal
eben zu bescheißen.«
    »Noch hab ich ja nicht mal den Prozesstermin«, sagte Poe. »Da will
ich doch keinen Wärter schlagen.«
    »Mr. Fisher ist kein anständiger Typ, der mit diesem Beruf eine Familie
durchbringt. Er ist Drogendealer, nein, noch schlimmer«, sagte Larry, »er ist
Drogendealer und bestiehlt seine Geschäftspartner. Falls dir das hilft, dich
besser zu fühlen.«
    Poe schüttelte den Kopf und sah am Zaun entlang, er fragte sich, was
wohl passieren würde, wenn er einfach anfinge, dran hochzuklettern. Klar:
Erschießen würden sie ihn. Darum ging es ja an diesem Ort.
    »Mein junger Poe.« Black Larry trat zu ihm und hob sein Gesicht an,
wie es ein Vater tun würde, ein Trainer. »In der Welt da draußen gibt es
Menschen, die dich offenbar nicht leiden können. Wenn du schon hier drin bist,
heißt das, das ist dein Zuhause jetzt, und wahrscheinlich bleibt es auch so. Du
kannst mir folgen?«
    »Trotzdem«, sagte Poe. Black Larry hielt Poes Kopf weiter so fest.
Der wusste nicht, was er mit seinen Händen tun sollte, und ließ sie schlaff am
Körper runterhängen. Er roch Larrys Atem, süß wie Pruno ,
und den Sonnenbrand auf seiner Haut, Black Larry hatte schwere blonde
Augenbrauen und Bartstoppeln. Seine Augen waren weich und blau, er wirkte hell
und klar, ein Kerl, der für sie alle nur das Beste wollte, das strahlte er aus.
    »Du hast uns etwas Ärger mit den schwarzen Brüdern eingebrockt, aber
zur Zeit ist ihnen klar, dass wir sofort zur Sache kommen, falls dir wer zu
nahe tritt. Egal, ob gegen zwanzig Nigger oder zwanzig Wachhunde. Die Probezeit
ist meistens deutlichlänger, aber du hast eine Schnellbeförderung
gekriegt.« Black Larry suchte irgendetwas in Poes Zügen, das er offenbar nicht
finden konnte. Plötzlich ließ er los, und Poe stand einfach da.
    »Es wird ja gar nicht viel von dir verlangt. Der Grund, warum dein
Zellenkumpel sechs Monate Ausgangssperre hatte«, sagte Clovis, »war das Messer,
das er einem Wachhund in den Rücken stieß, stand in der Zeitung, eventuell
gesehen? Zwölf Insassen und drei Wärter mussten gleich ins Krankenhaus.«
    »Nein«, sagte Poe.
    »Er liest wohl keine Zeitung«, sagte Clovis.
    Dwayne hob eine Hand. »Pass auf, du hast echt Glück gehabt und
wieder nicht. Du hast ein hohes

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