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Rost

Titel: Rost Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Meyer
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witzig«, sagte er.
    Irgendwas stimmte nicht. Wach auf. Wo bin ich? Auf der Lichtung. Es
ist Morgen. Was macht er gerade? Der Baron beugte sich über ihn. Er zog die
Hand aus einer Seitentasche von Isaacs Cargohosen, ganz behutsam, mit dem
Umschlag und dem Geld.
    Isaac hielt das Messer in der Hand, so hatte er die ganze Nacht geschlafen,
und er spürte, wie er seinen Griff verstärkte, sich bereitmachte, es zu
benutzen. Nein, dachte er, das geht nicht. Er ließ das Messer los, packte die
Jacke des Barons mit beiden Händen und versuchte, sich auf ihn zu wälzen. Doch
der schüttelte ihn mühelos ab und sprang auf und rannte los.
    Isaac schien zu schweben, auf die Füße, und dann lief auch er. Er
konnte es nicht fassen, dass der Baron so schnell Land gewann,der Umschlag
blitzte weiß in seiner Hand, Isaac raste, was das Zeug hielt, und die Bäume
rauschten undeutlich an ihm vorbei. Mit links hielt er das Messer, wechselte
die Hand. Du musst ihn kriegen, dachte er. Der Wald endete, und sie kamen an
dem Trailerpark vorbei, jetzt liefen sie auf offenem Gelände, einem Parkplatz,
und erreichten eine vierspurige Straße, wo in beiden Richtungen Verkehr war.
    Der Baron bog auf den Bürgersteig ab und lief weiter, an dem stehenden
Verkehr vorbei, verwunderten Gesichtern. Nach dem ersten Häuserblock fing Isaac
an aufzuholen. Und wenn ich ihn kriege? Nimm das Messer. Er ist stärker als du,
du musst es benutzen. Das kann ich nicht machen, dachte er. Dann krieg ihn
trotzdem, los. Er wird erschöpft sein, das kann deine Chance werden. Jetzt war
er noch ein paar Schritte hinter dem Baron. Sie waren offen sichtbar, und er
hatte das Gefühl, dass alle sie beobachteten, mittlerweile waren sie an ein paar
Dutzend Autos langgerannt. In seinem Blickfeld waren Flecken, seine Lungen
brannten, aber das war ihm egal. So schnell war er noch nie gerannt. Er konnte
ewig weiterlaufen. Auf der linken Seite war ein hoher Maschendrahtzaun, dann
der Bürgersteig, auf dem sie liefen, dann die Straße rechts. Wenn du ihn
attackierst, dann lass das Messer fallen. Schneidest dich sonst nur. Ein weißes
Auto fuhr vorbei, in Gegenrichtung, aus dem Augenwinkel sah er blaue Lichter
blitzen, als es einen U-Turn machte, fast war er jetzt nah genug an dem Baron,
um ihn zu packen, und dann war da die Sirene und erneut das Blaulicht. Nein,
dachte er, sah den Umschlag in der Hand des Barons auf und ab wippen, du kannst
ihn fast berühren, dann machte der Streifenwagen einen Satz quer über drei
Fahrspuren und rumpelte zehn Meter vor ihnen auf den Bürgersteig, der Polizist
sprang schnell hinaus, er war hinter der Tür, und Isaac, der seine Hand nicht
sehen konnte, wusste: Der zieht grad die Waffe.
    »Stopp stopp stopp«, hörte er, Messer, dachte er, das ist es, weg
damit, da war der hohe Zaun zur Linken, und bevor er denkenkonnte, war er
schon gesprungen und hatte sich drübergehievt, mit dem Oberkörper eine Schraube
und dabei den Anorak zerrissen, dann landete er auf allen Vieren. »Unten bleiben,
unten bleiben«, schrie der Cop, das Messer war irgendwo in den Dreck geflogen.
Alles lief plötzlich in Zeitlupe, er wollte aufstehen, aber der Cop richtete
die Waffe auf ihn, ob er wohl gesehen hat, dass du das Messer weggeworfen hast?
Steh auf. Steh auf steh auf steh auf. Er könnte mich erschießen. Nein steh auf.
Und konzentrier dich auf die Beine. Weiter rennen. Schieß nicht wenn er schießt
wirst du es spüren bevor du es hörst es wird sich nach nichts anfühlen, er
schaute rasch zurück, ein kurzer Eindruck von dem Cop, älterer Schwarzer,
sprach gerade in das Funkgerät am Kragen, der Baron war offenbar auch
stehengeblieben, denn jetzt zielte der Cop woandershin, nicht mehr auf Isaac.
    Obwohl ganze Bereiche seines Sichtfelds schwammen, zwang er sich,
weiterzulaufen, über einen Parkplatz, zwischen zwei kleinen Bürogebäuden durch,
er hechtete durch eine Reihe Büsche, wieder in der Richtung, aus der er
gekommen war.

10 . Poe
    Am nächsten Morgen wartete er stundenlang in seiner Zelle, dass
ihn einer auf den Hof eskortierte. Sein Zellengenosse war immer noch nicht
wieder da. Ein Wärter kam vorbei und sagte ihm, sein Anwalt wolle ihn morgen
besuchen, aber an den Anwalt wollte Poe nicht denken. Schließlich klopfte
Clovis an die Gitterstäbe.
    »Dwayne beschäftigt?«, fragte Poe.
    Da Clovis ihm nicht antwortete, folgte Poe ihm, bis ans Ende seiner
Zellenreihe, Treppe runter, durch den Zellenblock, im Licht, das durch die
Fenster drang, schwebte der

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