Rost

Staub, wenn du die Augen schließt, könntest du das
für jede x-beliebige Umkleide halten, Stinkesocken, Klokabinen, schimmliger
Beton, zu laut redende Leute, alle sagten dummen Scheiß. Er folgte Clovis in
den Hauptgang, dann durch die Metalldetektoren raus auf den Hof, mit frischer
Luft und Sand und Sonne, unter blauem Himmel. Praktisch wie ein Strand im
Sommer. Stell dir vor, die Wächter auf den Wachttürmen sind Rettungsschwimmer.
    Immer noch kein Wort von Clovis, alle reagierten, als Poe bei der
Hantelbank erschien, entweder mit so einem Lächeln, das ihm nicht gefiel, oder
indem sie sich abwendeten, damit sie nicht mit ihm zu reden brauchten. Er wurde
sofort nervös, suchte sich aber einen Platz am Zaun und tat, als hätte er es
nicht bemerkt. Black Larry kam heran.
    »So, junger Poe«, sagte er. »Wir haben hier lange über deine Zukunft
diskutiert.«
    Poe nickte.
    »Ich sag’s dir, wie’s ist. Wir sind uns einig, erst mal ist
Papierkram angesagt. Wir müssen einen Blick auf deine Anklageerhebungwerfen. Schließlich wollen wir genau wissen, wie brauchbar du bist.«
    »Macht nur, wie ihr meint. Mir scheißegal.« Poe zuckte mit den
Schultern.
    »Ich an deiner Stelle wäre nicht so selbstgefällig, Scheiße«, sagte
Clovis. »Jeder Zweite hier drin hat dich auf dem Kieker.«
    »Na, ich weiß schon mal, dass einer davon mich bestimmt nicht auf
dem Kieker hat, jedenfalls nicht, bevor er aus der Krankenstation rauskommt.«
    »Little Man ist einen Scheiß wert, und in der Sekunde, wo du ohne
uns hier rumläufst, darauf kannst du einen lassen, liegt dein Scheißkadaver in
der nächsten Wäschewanne. Falls dir’s noch nicht aufgefallen ist, hier sind wir
in der Minderheit, und jedem von den Niggern, jedem einzelnen juckt’s in den
Fingern, seit sie dich das erste Mal gesehen haben.«
    »Clovis«, sagte Dwayne.
    »Der junge Poe versteht«, sagte Black Larry zu ihm und sah Poe an. »Sonnenschein,
Poe. Nichts desinfiziert so gut.«
    »Okay«, sagte Poe.
    »Geh mit ihm, Dwayne.«
    Clovis sagte: »Yo Dwayne.«
    Dwayne drehte sich um und sah ihn an.
    »Bring das Zeug alles mit, wir wollen schließlich auch was sehen.«
    »Ach nee«, sagte Dwayne.
    Sie gingen durch die Metalldetektoren. Einer piepte los, doch Dwayne
nickte dem Wärter zu und latschte einfach durch.
    »Machst du dir Sorgen, Kumpel?«, sagte Dwayne. »Falls ja, kann ich
dich auch erledigen, das muss keiner von denen sein.«
    »Schon klar«, sagte Poe. »Mit mir gibt es kein Problem.«
    »Umso besser, Kumpel. Larry hatte neulich Stress, die wollten ihm
betrügerische Machenschaften anhängen. Hat gute Gründe, misstrauisch zu sein.
Mich hatten sie mit auf der Liste.«
    »Und was ist mit Clovis?«
    Dwayne schwieg, und sie gingen weiter durch den Zellenblock. Erst
als sie keiner hören konnte, sagte er: »Der hat im Moment seine eigene Logik.«
    Poe und Dwayne holten die Mappe und kehrten zurück. Black Larry nahm
sie, las sie sorgfältig durch und gab sie dann weiter.
    »Francis.«
    »Stimmt«, sagte Poe.
    »Was ist?«, fragte Clovis.
    »William Francis Poe«, sagte Black Larry. »Heißt er.«
    »Trotzdem alles Wichse«, sagte Clovis. »Eine Anklage ist bloß eine
Scheißanklage, mehr nicht.«
    »Mord ersten Grades«, sagte Dwayne.
    »Gibt’s irgendeinen, auf den du das abwälzen kannst?«
    »Nein«, antwortete Poe schnell. »Das geht auf mich.«
    »Heißt immer noch ’n Scheißdreck.«
    »Reicht vorläufig aber«, sagte Larry. Er griff hinter sich und holte
einen Krug mit Pruno vor, von dem sie alle tranken.
Und die Stimmung lockerte sich, der Krug wurde leer, Poe lehnte sich zurück,
alle entspannten sich. Der restliche Tag lief normal, das übliche Kommen und
Gehen, nur dass Poe betrunken war, er saß still da, die Sonne im Gesicht,
fühlte sich wohl, es wehte ein kräftiger Wind, ihm kam jetzt alles leicht vor,
und dann dachte er an Lee, das war das letzte Mal, dass er getrunken hatte. Er
dachte daran, sie anzurufen. Es war peinlich. Als er seine Mutter anrief, war
sie nicht zu Haus gewesen, ohne Zeitplan lief da nichts, weil man von allen
Telefonen hier nur via R-Gespräch anrufen konnte. Morgen irgendwann besuchte
ihn sein Anwalt, der würde nur eines von ihm wollen.
    Poe dachte darüber nach, da flog ein Falke hoch über dem Hof, er
schwebte, schwebte in der Brise, so als hätte jemand ihn an einem Faden hängen,
den betrachtete er lange.
    »Aufwachen«, rief Dwayne.
    Inzwischen waren bei der Hantelbank nur er, Black Larry, Dwayne und
Clovis. Alle