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Rost

Titel: Rost Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Meyer
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erwähnt habe.«
    »Du bist doch seine Mutter. Wir können so viel darüber reden, wie du
magst.«
    »Machst du die dritte Flasche auf?«
    »Ach, besser nicht«, sagte er. Und tat es dann doch.
    ***
    Sie saßen auf der Bettkante und küssten sich wieder, berührten
sich am ganzen Körper, und er fühlte sich sehr leicht, bis auf die Schwere
zwischen seinen Beinen. Da gab’s kein Problem. Nicht dass das eine Überraschung
wäre. Eine kleine Überraschung. Ab und zu war er nicht sicher, wegen der
Tabletten. Die würde er wegwerfen. Er grinste bei diesem Gedanken.
    »Glücklich?«, fragte sie.
    Er nickte.
    »Ich auch.«
    Als sie vor ihm niederkniete, strich er ihr durchs Haar und dachte,
guck dich an, du alter Mann, dein Leben ist nicht übel. Und dann rollte er sich
auf sie und beschleunigte, sie kannten immer noch den Rhythmus, den der andere
hatte. Was sie von sich gab – dieselben Laute, die du selbst im Kopf hörst und
für dich behalten könntest, doch sie teilt sie mit und lässt dich wissen, wie
gut du’s ihr machst.
    Und eine Stunde später lagerten sie auf der Bettdecke, sie strich
ihm mit den Fingernägeln über den Rücken. Dann stand sie auf, um ihnen Wein
nachzuschenken, sie saßen an das Kopfteil gelehnt, und er sah an sich herunter,
dünner wurde er, die Haare grau, doch immer noch hatte er Muskeln auf der Brust
und auf dem Bauch, vor ein paar Jahren war da eine Bierwampe gewesen, die er
sich schnell wieder abtrainiert hatte. Warum, das war ihm nie ganz klar
gewesen. Aber jetzt.
    »Hast du dich auch mit anderen getroffen?«, fragte sie.
    »Na sicher«, sagte er, die Schultern zuckend. Dabei hatte er’s in
Wahrheit nicht getan.
    ***
    Mitten in der Nacht erwachte er, und sie betrachtete ihn.
Strich ihm durch die weichen Haare an der Seite seines Kopfes.
    »Schschsch«, machte sie.
    Er öffnete die Augen ganz.
    »Ich schau dich gerne an.«
    »Ich schau dich auch gern an.«
    Grace zog die Decke runter. Ihre Schultern waren wunderschön, die
Linie der Knochen um den Hals, wie weich sie war, ganz genau richtig. Sie war
eine wunderschöne Frau, er brachte es kaum über sich, sie anzufassen. Er fühlte
sich glücklich underfüllt, es kam ihm schier unglaublich vor, dass er nicht
aus der Haut platzte, es kam ihm vor, als hätte er noch nie im Leben so etwas
gespürt. Nein, dachte er, das liegt nur daran, dass du das nicht aufbewahren
kannst, du kannst es nur im Augenblick selbst fühlen.
    Harris wusste nicht, wie lange er sie so betrachtete, sie leicht berührte,
mit den Fingerspitzen. Ihre Haut wurde allmählich spürbar wärmer. Sie spreizte
die Beine etwas. Er legte den Finger dorthin, und sie machte weiter auf und sah
ihn an.
    »Ich dachte, vorhin lag’s vielleicht am Wein.«
    Sie schüttelte den Kopf. Dann lächelte sie: »Willst du etwa sagen,
dass du mich absichtlich betrunken gemacht hast?«
    »Ja, so ungefähr.«
    »Das kannst du nächstes Mal einfacher haben.«
    Sie rollten sich auf die Seite, und sie schlang ein Bein um ihn,
alle Bewegungen besonders langsam, Augen scharfgestellt. Es stimmte, was vom
Sex behauptet wurde, dass er einfach immer besser wurde, all das, und mit
seinem angeblich erschöpften Körper. Fast hatte er es verschmäht. Ihm war so
leicht, er merkte gar nicht, dass er auf dem Bett lag, überall hätten sie sein
können, und sein gewöhnliches Gefühl, dass alles schnell vorbeiging und
verblasste, warum hatte er das je empfunden? Ich kann das hier fühlen, wenn ich
sie berühre, und dann wandelten seine Gedanken sich und wurden vollends
unsinnig.

9 . Isaac
    In dem Traum war er mit seiner Mutter und mit seiner Schwester
in dem Garten hinterm Haus, sie starrten in die weiten Hügel. Und sie warteten
dort alle auf Isaacs Vater, der zu Ostern mit dem Auto aus Indiana heimkommen
wollte. Doch etwas an dem Traum fühlte sich falsch an; er und seine Schwester
waren viel zu alt – im Highschool-Alter. Da hatte sein Vater seinen Unfall
schon gehabt. Die Mutter und die Schwester saßen im Verandaschaukelstuhl,
stießen sich mit den Füßen ab und lachten über irgendwas, Isaac grub ein Loch
im Garten. »Bleibst du von den Rosen weg, Isaac«, sagte seine Mutter. Aber Lee
verteidigte ihn. Dann waren sie in der Küche, seine Mutter stellte grad das
Abendessen wieder in den Kühlschrank, weil sein Vater immer noch nicht da war,
er war hungrig, alle fühlten sich alleingelassen, aber Lee stupste ihn ständig
in den Nacken, alberte mit den Klamotten rum, zog ihm das Hemd aus der Hose.
»Sehr

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