Rost
klopfte sich ab, dann fing
er an weiterzugehen, halb bei Bewusstsein, auf den Lärm der Autobahn zu, bis
die Sonne aufging, da begriff er, dass er die Bewegung nicht mehr brauchte, um
sich aufzuwärmen.
Eine Stunde, nachdem er die Autobahn erreicht hatte – genauso gut
hätten es drei sein können –, stieß er auf einen McDonald’s, wo er vom
Ein-Dollar-Menü drei Sandwiches mit Ei nahm und gegen seine Kopfschmerzen
mehrere Becher Wasser trank, bevor er seine Wasserflasche auffüllte.
Abwechselnd starrten ihn die Leute an oder versuchten so zu tun, als wäre er
nicht da. Nach Mehrwertsteuer hatte er noch zwei Dollar und achtzig Cent. Das
dritte Sandwich packte er ganz vorsichtig in eine weiße Tüte und verstaute es
in seiner großen Jackentasche. Er benutzte die Toilette für die Morgenwäsche.
Seine Kleider waren wieder schmutzig und verknittert, aber längst nicht wie
zuvor. Er fragte sich, ob ihn die Leute wirklich anstarrten. Es hat was mit
deinem Gesicht zu tun, dachte er. Und nicht nur den blauen Flecken.
Auf dem weiteren Weg hielt er sich parallel zur Autobahn, lief auf
der Seite des Zauns, die Privatgelände war, damit kein Cop rechts ran fuhr.
Muss bald einen Zug finden, dachte er. Langsam kann ich wieder denken. Einen
Zug finden und Richtung Südenfahren, dass ich nicht erfriere. Warum, dachte
er. Wo willst du hin? Ins Warme, was weiß ich.
Mir geht es gut. Gewöhn mich dran. Muss heute irgendwas auftreiben.
Stehlen, meinst du? Was weiß ich. Bin immer noch hungrig. Musst es dir aber
einteilen. Zwei Dollar und ein bisschen Kleingeld übrig – musst ja morgen auch
was essen. Und die Tage danach. Heb dir mal das dritte Sandwich auf. Die Hälfte
davon ess ich heute Abend, dachte er.
Er hielt sich weiter parallel zur Straße, kam nur langsam vorwärts,
weil er ständig Zäune überklettern musste, und dann das Gebüsch andauernd, doch
er ließ sich Zeit, blieb außer Sicht. Dann kam ein offenes Gelände, Rastplatz
mit Toilette, Autos fuhren vor und wieder weg, er füllte seine Wasserflasche
und trank lange aus dem Wasserspender. Er saß vor dem Hauptgebäude, ruhte sich
an einem Picknicktisch aus. Und dann fuhr ein Camry direkt bei ihm vor, ein
Mann sprang raus und trabte eilig zur Toilette. Isaac stand auf und ging am
Wagen lang, die Brieftasche des Mannes lag beim Schaltknüppel, die Türen waren
offensichtlich unverschlossen, und nur fünfzig Meter bis zum Waldrand.
Er stand eine Weile mit dem Rücken zu dem Auto, dann entfernte er
sich, immer weiter, von dem Rastplatz weg. Das war sehr dumm, dachte er. Diesen
Luxus wirst du nicht noch einmal haben. Nein, das werd ich niemandem antun.
Klar wirst du. Das oder Verhungern. Ich muss heute doch nichts essen, dachte
er. Ich hab noch immer Geld.
***
Schon beim Sonnenuntergang merkte er, dass es zügig kälter
wurde, deswegen verbrachte er die nächste Stunde damit, Unterholz zu sammeln
und Schichten von Ästen gegen einen umgefallenen Stamm zu lehnen, wobei er
darunter etwas Platz ließ, und dann häufte er Laub, Kiefernäste und was er noch
finden konnteobendrauf, bis das Gebilde über einen Meter hoch war. Er
schaffte es kaum, sich dort hineinzuschlängeln. Eng, aber sehr warm. Decke aus
Laub. Ehrenmedaille.
Er musste wohl eingeschlafen sein, denn als er aufwachte, war es
stockfinster, er fühlte sich wie lebendig begraben und fing an, seinen
Unterschlupf zu demolieren, bis er an dem einen Ende rausguckte und wieder
wusste, wo er war. Der Mond schien auf das Laub, ein Tier bewegte sich da
draußen, lange Beine: Hirsch. Tapp tapp tapp. Tapp. Das Tier erschrak, als es
ihn witterte, die Äste knackten, als es floh. Er schloss die Augen wieder.
Seine Mutter ging im Sonnenschein die Einfahrt runter, es lag Licht auf ihrem
dunklen Haar, das schon mit Grau durchsetzt war, und sie lächelte, mit hoch
erhobenem Kopf, über irgendwas. Dann sah er ihr Gesicht nicht mehr. Auf einmal
waren sie im Krankenhaus, bei seinem Vater, »komm hier hoch«, sagte er, und
jemand hob Isaac aufs Bett, das Gesicht seines Vaters war von den Verbrennungen
geschwollen, beinahe haarlos, er strich Isaac über den Kopf. »Na, junger Mann«,
sagte er. »Wie geht’s meinem Sohn?« Sah gar nicht wie dein Vater aus. Nicht mal
die Augen. Krankenhausverwechslung. Wie in Hamlets Geschichte, ersetzt durch
einen anderen Mann. Anfang vom Ende war das damals. Als er seinen Job verlor,
da war es eine Sache, und als das passierte, eine andere. Sie waren alle fix
und fertig davon – und nur du
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