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Rot und Schwarz

Titel: Rot und Schwarz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stendhal
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Geschick kaufmännische Geschäfte. Da er in der Lage war, das Neueste zu wissen, gelang ihm manche Spekulation. Er kaufte Häuser und Wälder, aber er war leicht ärgerlich. Er warf tausend Taler zum Fenster hinaus, aber prozessierte mitunter um hundert Franken. Großherzige reiche Leute lieben an Geschäften die Unterhaltung, nicht die Ergebnisse. Der Marquis brauchte einen Adjutanten, der seine Geldangelegenheiten gut und übersichtlich in Ordnung hielt.
    Frau von La Mole mokierte sich trotz ihres gemessenen Wesens zuweilen über Julian. Alles Unerwartete, das seine Quelle in der Sensibilität hat, ist der Schrecken jeder vornehmen Dame, denn Plötzlichkeiten sind das Gegenteil der Konvenienz. Zwei- oder dreimal nahm der Marquis für ihn Partei. »Wenn er in deinem Salon lächerlich erscheint, so triumphiert er dafür in meinem Arbeitszimmer!«
    Julian glaubte das Geheimnis der Marquise zu durchschauen. Sie geruhte ihre Teilnahmslosigkeit aufzugeben, sobald der Baron von La Journale gemeldet wurde. Das war eine kalte Natur mit undurchdringlichen Zügen, groß, hager, häßlich und tadellos gekleidet. Er brachte sein ganzes Leben im königlichen Schloß zu. Wenn er sprach, sagte er Belanglosigkeiten. Genauso farblos war auch seine Gesinnung. Frau von La Mole wäre überglücklich gewesen, und dies zum erstenmal in ihrem Dasein, wenn sie den Baron zu ihrem Schwiegersohne hätte machen können.

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Sechstes Kapitel
Man kann es auch so sagen
Ihre hohe Aufgabe besteht darin, die unbedeutenden Ereignisse im Alltag der Völker zu beurteilen. Ihre Weisheit muss den großen Zorn vorhersehen, der durch Kleines verursacht wird, durch Ereignisse, welche die Stimme des Ruhms verwandelt, indem sie sie in die Ferne trägt.
    Gratius
    F ür einen Neuling aus der Provinz, der aus Stolz nie Fragen stellte, war Julians Benehmen nicht zu reich an großen Dummheiten. Eines Tages flüchtete er vor einem Platzregen in ein Café in der Rue Saint-Honoré. Ein Herr in einem langen Rock aus Kastorin, dem Julians finstrer Blick aufgefallen war, starrte ihn genauso an wie damals in Besançon der Liebhaber von Fräulein Amanda. Julian hatte sich viel zu oft Vorwürfe darüber gemacht, daß er jene Beleidigung eingesteckt, als daß er diesen Blick ertragen hätte. Er verlangte eine Erklärung. Der Mann im langen Rock antwortete ihm mit ein paar gemeinen Schimpfworten. Alle im Café Anwesenden umringten die beiden; draußen blieben die Vorübergehenden stehen. Vorsichtig, wie Provinzler sind, trug Julian immer ein paar kleine Pistolen bei sich. Krampfhaft griff er in die Tasche nach einer. Doch war er vernünftig genug, seinem Gegner nur immer wieder zuzurufen: »Ihre Adresse, mein Herr! Ich finde Sie verächtlich!«
    Die Beharrlichkeit, mit der er sich an diese Worte klammerte, fiel den Umstehenden schließlich auf.
    »Zum Donnerwetter, der andre, der erst das große Maul gehabt hat, der soll ihm doch seine Adresse geben!«
    Schließlich warf der Mann im langen Rock Julian fünf oder sechs Karten ins Gesicht. Zum Glück traf keine. Julian hatte sich nämlich gelobt, von seinen Pistolen nur Gebrauch zu machen, wenn er angerührt würde. Der Mensch ging, nicht ohne sich mehrfach umzudrehen, mit der Faust zu drohen und ihm Schimpfworte zuzurufen.
    Julian war in Schweiß gebadet. »So steht es in der Macht des lumpigsten Menschen, mich dermaßen aufzuregen!« sagte er sich voller Wut. »Wie kann ich mir diese demütigende Empfindlichkeit nur abgewöhnen?«
    Woher sollte er einen Sekundanten nehmen? Er besaß keinen Freund. Wohl hatte er mehrere Bekanntschaften gemacht, aber sie hatten sich nach sechs Wochen regelmäßig wieder gelöst. »Ich bin ungesellig und werde jetzt grausam dafür gestraft«, dachte er. Endlich kam er auf den Gedanken, einen Leutnant a. D. vom 96. Regiment namens Liéven 32 aufzusuchen, einen armen Teufel, mit dem er oft gefochten hatte. Julian beichtete ihm die Geschichte.
    »Ich will gern Ihr Sekundant sein«, sagte Liéven, »aber unter einer Bedingung: wenn Sie Ihren Gegner nicht verwunden, so müssen Sie sich hinterher auf der Stelle mit mir schlagen!«
    »Einverstanden!« sagte Julian voller Entzücken. Beide suchten zufolge der auf der Karte bezeichneten Adresse mitten im Faubourg Saint-Germain einen Herrn Karl von Beauvaisis auf. Es war um sieben Uhr morgens. Erst im Moment, wo sich Julian anmelden ließ, fiel ihm ein, daß dieser Herr der junge Verwandte von Frau von Rênal sein könnte, der früher bei der

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