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Rot und Schwarz

Titel: Rot und Schwarz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stendhal
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Gesandtschaft in Rom oder Neapel gewesen war und dem Sänger Geronimo ein Empfehlungsschreiben an die Familie Rênal mitgegeben hatte.
    Julian gab einem Riesen von Kammerdiener eine der ihm gestern zugeworfenen Karten und eine der seinigen.
    Man ließ ihn und seinen Sekundanten volle drei Viertelstunden warten. Endlich wurden sie in ein wundervoll elegantes Zimmer geführt. Dort empfing sie ein junger Herr, der wie eine Puppe angezogen war. Seine Züge erinnerten an die Vollkommenheit der altgriechischen Schönheit. Er hatte einen merkwürdig schmalen Kopf und das schönste Blondhaar, das mit großer Sorgfalt frisiert war. Nicht ein einziges Härchen lag anders als das andere.
    »Dies verdammte Gigerl hat uns so lange warten lassen, bloß um sich zu frisieren!« dachte der Leutnant. Der karierte Hausrock, die weiten Morgenbeinkleider, die gestickten Pantoffeln, alles war tadellos und erlesen. Das vornehme ausdruckslose Gesicht ließ auf spärliche, doch höchst korrekte Gedanken schließen. Es war das Muster eines Metternichschen Diplomaten. Napoleon wollte unter den Beamten seiner Umgebung auch keine Denker haben.
    Julian, dem sein Leutnant erklärt hatte, dieses Wartenlassen von Seiten einer Person, die ihm die Karten gröblich ins Gesicht geschleudert hatte, sei eine neue Beleidigung, war brüsk ins Zimmer getreten. Er wollte unverschämt sein; zugleich wünschte er freilich den guten Ton zu wahren.
    Über die Maßen verblüfft über die milden Manieren des Herrn von Beauvaisis, über sein gemessenes, würdevolles und selbstzufriedenes Aussehen und über die bewundernswürdige Eleganz um ihn herum, gab Julian sofort jeden Gedanken an Unverschämtheit auf. Das war nicht sein Mann von gestern abend! Sein Erstaunen, statt dem gesuchten Flegel ein so distinguiertes Wesen anzutreffen, war so groß, daß er keines Wortes mächtig war. Er händigte ihm eine der ihm gestern an den Kopf geworfenen Karten ein.
    »Das ist allerdings mein Name«, sagte der Dandy, dem Julians schwarzer Rock früh um sieben Uhr wenig Respekt einflößte. »Aber ich verstehe nicht, auf Ehre ...«
    Die Manieriertheit in der Aussprache dieser Worte versetzte Julian von neuem in schlechte Laune. »Ich komme, um mich mit Ihnen zu schlagen, Herr von Beauvaisis!« sagte er und erläuterte kurz die Vorgeschichte.
    Der Chevalier Karl von Beauvaisis war nach reiflichem Erwägen mit dem Schnitt von Julians schwarzem Rock ganz zufrieden. »Ohne Zweifel: er ist von Staub«, sagte er sich, indem er ihm zuhörte. Staub war der fashionable Kleiderkünstler von Paris. »Die Weste verrät Geschmack; die Stiefel sind schick ..., aber hinwiederum: schwarzer Rock so früh am Morgen? Wahrscheinlich um der Kugel möglichst zu entgehen.«
    Nachdem er sich hierüber klargeworden, ward er wieder ausgesucht höflich und behandelte Julian fast wie seinesgleichen. Die Unterredung dauerte ziemlich lange. Die Angelegenheit war nicht so einfach. Schließlich konnte sich Julian dem Augenschein nicht verschließen. Der vornehme junge Herr da vor ihm hatte nicht die geringste Ähnlichkeit mit dem groben Patron, der ihn gestern beschimpft hatte.
    Julian empfand unbezwinglichen Widerwillen vor dem Wiedergehen, und so zog er das Gespräch in die Länge. Die Selbstgefälligkeit des Chevaliers entging ihm nicht. So hatte er sich nämlich selbst genannt, als Julian ihn einfach mit Herr von Beauvaisis angeredet hatte.
    Er bewunderte die merkwürdige Mischung von Würde, Zurückhaltung und Geckentum, die den Chevalier nicht einen Augenblick verließ. Auch war er erstaunt über sein sonderbares Anstoßen mit der Zunge beim Sprechen. Aber schließlich lag in alledem nicht der geringste Anlaß, Streit mit ihm zu suchen.
    Der junge Diplomat stellte sich mit viel Grazie zum Zweikampf zur Verfügung, aber der ehemalige Sechsundneunziger, der seit einer Stunde mit gespreizten Beinen dasaß, die Hände auf den Schenkeln und die Ellbogen vorgestreckt, entschied, daß sein Freund, Herr Sorel, kein Recht habe, mit einem Gentleman einen Streit vom Zaune zu brechen, bloß weil diesem Visitenkarten gestohlen worden waren.
    Höchst verstimmt empfahl sich Julian. Der Wagen des Chevaliers von Beauvaisis hielt gerade im Hof vor der Freitreppe. Zufällig blickte Julian auf und erkannte im Kutscher seinen Mann von gestern abend.
    Ihn sehen, ihn an seinem langen Rock zerren, so daß er vom Bocke fiel, und ihn mit der Peitsche bearbeiten, war eins. Zwei Lakaien wollten ihren Kameraden verteidigen. Julian

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