Rot und Schwarz
Ahnen wird aus der Asche auferstehen. Wir werden es sehen, wie es vor dem Tode Ludwigs XVI. war. England, zum mindesten seine edlen Lords, verabscheut das ignoble Jakobinertum ebenso wie wir. Ohne das englische Geld können Österreich und Preußen höchstens zwei oder drei Schlachten schlagen. Wird das zu einer erfolgreichen Okkupation genügen? Ich glaube es nicht...«
Hier wurde auch er unterbrochen, aber der Zwischenruf ward durch allgemeines Zischen abgelehnt. Wiederum war es der ehemalige kaiserliche General, der nach dem blauen Bande strebte und sich unter den Verfassern der Geheimen Note hervortun wollte.
» Ich glaube es nicht!« wiederholte Herr von La Mole, nachdem sich der Sturm gelegt hatte, wobei er das Ich mit einer Unverfrorenheit lang zog, die Julian entzückte. »Er ist ein brillanter Komödiant!« dachte er bei sich, indem er seine Feder mit der nämlichen Schnelligkeit über das Papier gleiten ließ, mit der Herr von La Mole sprach. Mit dem einen treffenden Worte hatte er die zwanzig Feldzüge des Überläufers vernichtet.
»Es ist nicht allein das Ausland«, fuhr der Marquis in gemessenem Tone fort, »dem wir vielleicht eine abermalige Okkupation verdanken. Alle die jungen Köpfe, von denen die Brandreden im
Globe
herrühren, alle diese werden den Stamm von drei- bis viertausend jungen Kompanieführern stellen, unter denen sich ein Kléber, ein Hoche, ein Jourdan, ein Pichegru finden kann ...«
»Ehre, wem Ehre gebührt!« bemerkte der Vorsitzende.
»Es ist höchste Zeit«, hob Herr von La Mole von neuem an, »daß es in Frankreich zwei Parteien gibt, aber nicht nur dem Namen nach, sondern wirklich zwei säuberlich geschiedene Parteien. Auf der einen Seite die Zeitungsschreiber, die Wähler, die öffentliche Meinung, mit einem Worte: die Jugend und alles, was blaue Wunder von ihr erwartet. Während sie sich am Lärm ihrer eigenen hohlen Worte berauscht, haben wir den realen Vorteil, das Budget zu verzehren...«
Wiederum erfolgte ein Zwischenruf.
»Sie, mein Herr«, rief Herr von La Mole dem Betreffenden voll Würde und Freimut zu, »Sie verzehren nicht – nein, da Ihnen dieser Ausdruck mißfällt, nein – Sie verschlingen vierzigtausend Franken aus dem Staatsbudget und achtzigtausend von der Zivilliste!
Mein Herr, da Sie mich dazu zwingen, will ich Sie ungescheut zum Exempel nehmen. Nach dem Vorbilde Ihrer edlen Vorfahren, die Ludwig dem Heiligen in den Kreuzzug folgten, sollten Sie uns für diese hundertundzwanzigtausend Franken ein Regiment, eine Kompanie, ja nur eine halbe Kompanie, ach, nur fünfzig handfeste Leute zuführen, die der guten Sache auf Leben und Tod ergeben sind. Aber Sie haben nur Lakaien, vor denen Sie im Falle eines Aufruhrs selber Angst haben ...
Meine Herren, Thron, Altar und Adel sind stündlich dem Untergange geweiht, solange Sie nicht in jedem Regierungsbezirk einen Sturmtrupp von fünfhundert zuverlässigen Leuten geschaffen haben. Ich sage zuverlässig , das heißt nicht nur tapfer nach französischer Art, sondern auch von Ausdauer nach spanischem Vorbilde.
Diese Trupps müßten sich zur Hälfte aus unsern Söhnen und Neffen bilden, also aus echten Edelleuten. Jeder müßte einen braven, biederen, schlichten Bauernsohn zur Seite haben, keinen der schwatzhaften Kleinbürger, die immer bereit sind, die Trikolore aufzupflanzen, wenn sich die Situation von 1815 wiederholt. Ritter und Bauer müssen denselben Glauben haben! Am besten wächst er mit ihm zusammen auf. Zur Gründung und Erhaltung dieser Trupps sollte jeder von uns den fünften Teil seines Einkommens opfern. Dann können Sie auf eine ausländische Okkupation rechnen. Andernfalls fällt es keiner fremden Armee ein, auch nur bis Dijon vorzurücken. Die Monarchen andrer Mächte werden auf Ihren Ruf nur hören, wenn Sie sich für zwanzigtausend Edelleute verbürgen können, die bereit sind, die Waffen zu ergreifen und Frankreichs Tore zu öffnen.
Das ist eine mühselige Sache! werden Sie einwenden. Gewiß, meine Herren, aber es handelt sich um unsre Existenz. Zwischen der Preßfreiheit und dem Fortbestand der Aristokratie herrscht Krieg bis aufs Messer. Werden Sie Kleinbauern oder Fabrikarbeiter – oder greifen Sie zum Gewehr! Seien Sie Memmen, wenn Sie das wollen, aber seien Sie keine Dummköpfe! öffnen Sie die Augen!
Stellt eure Bataillone! rufe ich Ihnen mit dem Jakobinerlied zu Dann wird sich schon ein Gustav Adolf finden, der die ungeheuerliche Gefahr erkennt, die der monarchischen
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