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Rot und Schwarz

Titel: Rot und Schwarz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stendhal
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ein obskurer armer Teufel, daß sie sich mitsamt ihrem Liebsten über mich lustig macht? Soll sich ganz Verrières über meine Trottelhaftigkeit ins Fäustchen lachen? Soll ich einen zweiten Charmier abgeben?« (Charmier war ein Mann, den seine Ehefrau tatsächlich hinterging.) »Zieht nicht ein Grinsen über aller Mienen, wenn die Rede auf ihn kommt? Er ist ein guter Advokat, aber wer rühmt seine forensischen Talente? Spricht man nicht immer bloß: Charmier, ach der! Das ist doch der mit den Hörnern! «
    Dann sagte er sich wieder: »Gott sei Dank, daß ich keine Tochter habe. Wenn ich meine Frau gehörig bestrafe, so schadet das wenigstens meinen Kindern nicht. Ich kann diesen Bauernlümmel bei meiner Frau überraschen. Sie alle beide erdolchen! In diesem Falle beseitigt die Tragik alles Lächerliche.« Die Idee gefiel ihm. Er überlegte sie sich bis in die Einzelheiten. »Das Strafgesetzbuch habe ich auf meiner Seite«, sagte er sich, »und was auch geschehen mag, die Geistlichkeit und meine Freunde unter den Geschworenen werden mir zum Freispruche verhelfen.«
    Er prüfte seinen Hirschfänger 22 . Er war haarscharf, aber bei dem Gedanken an Blut gruselte es ihn.
    »Ich könnte diesen frechen Hauslehrer lendenlahm prügeln und aus dem Hause jagen. Aber was gäbe das für einen Skandal in Verrières und im ganzen Kreise! Nach dem Prozesse gegen die Falcozsche Zeitung, als ihr Hauptschriftleiter aus dem Gefängnis entlassen wurde, da habe ich dabei geholfen, daß er seine Stellung mit zweihundert Talern Gehalt nicht wieder bekam. Neuerdings soll sich der Schmierifax in Besançon wieder mausig gemacht haben. Er kann mich geschickt anpöbeln, und zwar so, daß es unmöglich ist, ihn gerichtlich zu fassen. Und wenn man es versucht, so fabelt der unverschämte Kerl vor den Schöffen gar vom Wahrheitsbeweis usw. Ein hochgeborener Mann, der seinen Rang wahrt wie ich, wird naturgemäß von allen Plebejern gehaßt. Ich würde durch alle Schandblätter von Paris gezerrt! Allmächtiger, welch ein Sturz von der Höhe! Der gute alte Name derer von Rênal im Schmutze der Lächerlichkeit! Wenn ich dann einmal eine Reise mache, muß ich es unter falschem Namen tun. Ich meinen Namen lassen, der mein Stolz, mein ein und alles ist! Wie bin ich unglücklich!
    Wenn ich meine Frau aber nicht töte, sondern bloß mit Schimpf und Schande von dannen jage, so hat sie in Besançon die alte Tante, die ihr ohne weiteres ihr Vermögen zur Verfügung stellt. Luise und Julian werden kreuzvergnügt in Paris wohnen. Man wird es in Verrières erfahren, und ich bin auch wieder der Geprellte ...«
    Am trüben Schein seiner Lampe merkte der unglückliche Mann, daß der Morgen graute. Er ging in den Garten, um frische Luft zu schöpfen. Schon war er so gut wie entschlossen, einen Skandal zu vermeiden, denn er bedachte, daß seine guten Freunde eine Riesenfreude daran haben würden. Der Spaziergang durch den Garten machte ihn ruhiger. »Nein«, murmelte er vor sich hin, »von meiner Frau trenne ich mich auf keinen Fall. Sie ist mir viel zu nützlich.« Und voll Grauen stellte er sich vor, was aus seinem Hause ohne seine Frau werden sollte. Er hatte nur eine einzige Verwandte, die Marquise von Tourvel, eine halbblöde, alte, boshafte Person.
    Plötzlich kam ihm ein, wie ihn dünkte, grundgescheiter Gedanke. Allerdings ihn auszuführen, erforderte etwas mehr Energie, als sich der Ärmste zutraute. »Ich kenne mich«, meinte er. »Wenn ich meine Frau behalte, so werde ich ihr eines Tages, wenn mich etwas an ihr ärgert, ihren Seitensprung vorwerfen. Sie hat ihren Stolz, und so werden wir uns überwerfen, und zwar, ehe wir die Tante beerbt haben. Dann bin ich in den Augen der Leute der Dumme. Ich bekomme keinen roten Heller; höchstens einmal meine Kinder, die sie ja liebt. Mich wird alle Welt auslachen. Seht! wird es heißen. Er hat sich von seiner Frau alles gefallen lassen! Somit ist es offenbar das beste, wenn ich den Verdacht auf sich beruhen lasse und ihn gar nicht erst auf die Wahrheit hin untersuche. Allerdings binde ich mir damit die Hände. Ich darf ihr niemals einen Vorwurf machen.«
    Eine kleine Weile später regte sich seine verletzte Eitelkeit von neuem. Er suchte sich aller der Histörchen zu entsinnen, die beim Billard in der Harmonie und in der Adelsressource von losen Zungen erzählt zu werden pflegten, um sich auf Kosten irgendeines betrogenen Ehemannes zu belustigen. Solche Witze kamen ihm mit einemmal inhuman vor.
    »Warum habe ich

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