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Rot und Schwarz

Titel: Rot und Schwarz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stendhal
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Bedürfnis, allein zu sein. Ein Weilchen darauf, ruhiger geworden, kam er wieder zu seiner Frau.
    Sie ergriff sofort das Wort: »Es bedarf eines Entschlusses. Julian muß fort! Besondre Rücksicht ist bei so einem Bauernjungen nicht nötig. Du zahlst ihm ein paar Taler Abfindung. Er ist ein gescheiter Mensch und wird leicht woanders unterkommen. Zum Beispiel bei Valenod oder beim Landrat von Maugiron, die beide Kinder haben. Somit schädigst du ihn gar nicht...«
    »Da kommt so recht deine Beschränktheit zutage!« unterbrach Herr von Rênal sie heftig und grob. »Weiber haben wirklich kein bißchen gesunden Menschenverstand! Nie kriegt ihr das Wesentliche einer Sache heraus! Zu nichts seid ihr nütze! Gleichgültig seid ihr, träge, höchstens zur Schmetterlingsjagd zu gebrauchen! Klägliche Geschöpfe! Es ist ein Elend, euch im Hause zu haben ...«
    Frau von Rênal ließ ihn reden, und er redete lange. Er redete sich sozusagen den Ärger vom Leibe.
    »Verehrtester«, erwiderte sie schließlich, »ich spreche als Frau, die im Heiligsten verletzt ist, was sie besitzt, in ihrer Ehre!«
    Während dieses ganzen ihr peinlichen Auftrittes blieb sie unerschütterlich kaltblütig. Hing doch davon die Möglichkeit ab, weiterhin unter einem Dache mit Julian zu leben. Unempfänglich gegen alle die kränkenden Worte, die ihr entgegengeschleudert wurden, suchte sie nach Motiven, die imstande waren, ihren vor Jähzorn blinden Gatten zu düpieren. Was er ihr sagte, hörte sie gar nicht. Sie dachte nur an den Geliebten: »Wird er mit mir zufrieden sein?«
    »Vielleicht kann er nichts dafür«, sagte sie, »der kleine Bauer, dem wir so sehr viel Gutes angetan haben. Aber auf jeden Fall ist er der Anlaß, daß man mich zum erstenmal in meinem Leben beleidigt hat ... Als ich den niederträchtigen Zettel da las, habe ich mir geschworen, daß eins von uns beiden das Haus verlassen wird: er oder ich!«
    »Willst du einen Skandal in die Welt setzen? Mich und dich blamieren? Das wäre für so manchen in Verrières ein gefundenes Fressen!«
    »Ich gebe zu: die Leute beneiden dich allgemein, weil du es mit Umsicht und Klugheit verstanden hast, deine, deiner Familie und der Stadt Interessen zu fördern. Also gut! Dann werde ich unsern Hauslehrer veranlassen, sich von dir vier Wochen Urlaub zu erbitten. Er kann sich ja zu seinem guten Freunde, dem Holzhändler, begeben.«
    Herr von Rênal war inzwischen besonnener geworden.
    »Ich bitte mir aus«, entgegnete er ihr, »daß du dies mir überläßt! Vor allem verlange ich, daß du nicht mit ihm sprichst. Deine Aufgeregtheit macht die Sache nur noch schlimmer und bringt mich bloß mit ihm in Differenzen. Du weißt, wie vorsichtig man das Herrchen behandeln muß.«
    »Der Bursche hat keine Manieren«, gab sie zu. »So gescheit er auch sein mag. Das weißt du am besten. Alles in allem ist er ein richtiger Bauer. Seit er Elisens Heiratsantrag ausgeschlagen hat, ist es mit meiner guten Meinung über ihn vorbei. Damit hätte er sich seine Zukunft gesichert. Und bloß, weil sie ein heimliches Techtelmechtel mit Valenod haben soll...«
    »Wie? Was?« unterbrach Herr von Rênal, indem er die Augen gewaltig aufriß. »Hat dir das Julian gesagt?«
    »Das nicht gerade. Er hat mir immer nur erklärt, er fühle heilige Pflichten in sich. Hirngespinst! Die heiligste Pflicht eines armen Schluckers ist, sich das tägliche Brot zu sichern! Habe ich da nicht recht? Allerdings hat er mir einmal angedeutet, daß er von den heimlichen Beziehungen Elisens wisse.«
    »So! So!« rief Rênal, von neuem in heller Wut, und jedes Wort betonend, fuhr er fort: »In – meinem – Hause – gehen – also – Dinge – vor, – von – denen – ich – nichts – erfahre! Ist das Tatsache, daß Valenod und Elise etwas miteinander haben?«
    »Aber das ist doch eine alte Geschichte, Verehrtester!« rief Frau von Rênal lachend. »Vielleicht war weiter nichts Schlimmes dabei. Das war damals, wo dein guter Freund Valenod gar nicht böse gewesen wäre, wenn man in Verrières geglaubt hätte, daß sich zwischen ihm und mir ein kleiner Flirt entsponnen hätte.«
    »Hm! Das ist mir ja nicht ganz entgangen ...«, meinte Herr von Rênal und schlug sich wütend auf die Stirn. Er fiel von einer Überraschung in die andre. »Und das hast du mir auch nicht gesagt!«
    »Sollte ich wegen einer kleinen galanten Anwandelung deines geliebten Armenamtsvorstandes Zwietracht zwischen zwei alte Freunde säen? Sag mir mal, an welche

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