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Rot Weiß Tot

Titel: Rot Weiß Tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Salomon
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Stock wartete ungeduldig ein groß gewachsener Mann. »Sie sind vom Report?«
    Der Mann trug Jeans und ein Flanellhemd, aus dem ein faltiger Hals wuchs. An seinem weichen Kinn schimmerte silbern ein Dreitagebart. Die kleinen Augen in seinem flachen Gesicht sahen aus wie Löcher in einer Palatschinke. Seine Füße waren viel zu klein für den Rest seines Körpers. Sie wirkten wie die eines Kindes.
    »Ich heiße Albin Fischer.«
    Albin fragte sich, ob dieser Mann der Typ war, der sich auch in unbeobachteten Augenblicken nach dem Pinkeln die Hände wusch. Nein, entschied er. Er war eher der Typ, der sich mit dem Handrücken den Rotz von der Nase wischte und an der Hose abstreifte.
    »Wir haben Sie erwartet.«
    Der Händedruck mit dem Fremden war trotz allem unvermeidlich. Albin sah ihm dabei nicht in die Augen, als könnte er so die Intensität der Berührung vermindern. Trotzdem spürte er ein Kribbeln wie von einer Milliarde kleiner Bakterien an seiner Rechten.
    »Bruno Wagenschmied. Hanna wartet drinnen auf Sie.«
    Wagenschmieds Art, »Hanna« zu sagen, demonstrierte Besitzanspruch. Offenbar wollte er klarstellen, dass er nach Lust und Laune mit seinen ungewaschenen Händen an ihr herumfummeln durfte.
    Wagenschmied führte ihn durch ein helles Büro mit einer roten Sitzgarnitur und zwei Arbeitsplätzen für Grafiker. Hanna Goldmann wartete auf einer weitläufigen Terrasse mit Oleandern in grünen Porzellantöpfen. Sie saß an einem kleinen Tischchen, auf dem hellblaues Kaffeegeschirr stand.
    Albin trat durch die Glastür ins Freie. Sie erhob sich. Auch ohne ihr Alter zu kennen, hätte Albin sie kaum jünger als fünfzig geschätzt. Er hätte allerdings nicht gedacht, dass eine Frau mit fünfzig noch so anziehend sein konnte. Mit ihrem durch weiße Strähnen zusätzlich aufgehellten Blondhaar, den leuchtend grünen Augen und ihrer zierlichen Gestalt sah sie wie ihr eigenes Lächeln am Telefon aus.
    »Sie haben es schön hier«, sagte Albin und bemerkte, dass er wie gebannt in ihren offenherzigen Ausschnitt starrte.
    »Ich arbeite gerne dort, wo ich lebe«, lächelte sie. »Und umgekehrt.«
    Wagenschmied war schon beunruhigt. »Wir können hier heraußen sprechen. Oder wollen wir lieber hineingehen?«
    Es schien einen Zusammenhang zwischen dem Kribbeln der Bakterien auf Albins Hand und Wagenschmieds Stimme zu geben: Wenn der Mann redete, wurde es stärker. Albin hätte gerne den ganzen Arm in das kleine Schwimmbecken im Innenhof getaucht. »Ich hatte an eine Unterhaltung unter vier Augen gedacht«, sagte er.
    Wagenschmied legte seine Stirn in wulstige Falten. Seine Augen wurden klein wie Rosinen. Albin bemerkte, dass sein rechtes Auge zum unwillkürlichen Zwinkern neigte. Angesichts seiner Grimmigkeit wirkte das grotesk.
    »Wir haben keine Geheimnisse voreinander«, sagte Hanna Goldmann. Sie zwinkerte ihrem Freund beruhigend zu.
    »Ich möchte über Details mit Ihnen sprechen, an die Sie sich möglicherweise jetzt noch gar nicht erinnern können«, wandte Albin ein. »Zu zweit geht das besser.«
    Sie machte eine Kopfbewegung in Richtung Wagenschmied. Missmutig trabte er davon. Albin wusste, dass er soeben einen Feind gewonnen hatte. Während sie draußen an dem runden Tisch Platz nahmen, dachte er wieder an das nächtliche Fitness-Center. Er fragte sich, ob Wagenschmied zu jenen gehören könnte, deren Geister in den Schatten lauerten, wenn er aus unerquicklichen Träumen hochfuhr.
    »Das ist Silvia«, sagte Hanna Goldmann, als eine bummelige Sekretärin heißen Kaffee und Kekse brachte. »Sie macht die ganze Arbeit hier. Ich selbst verbringe meine Zeit mit Plaudern, Kaffeetrinken und dem Bezahlen unserer Rechnungen.«
    Erfreut über das Lob ihrer Chefin stolzierte Silvia zurück in das Büro und schloss die Terrassentür hinter sich. Albin betrachtete die gekippten Dachfenster des oberen Stockwerks. Er war sicher, dass dort oben Wagenschmied hockte und lauschte.
    »Im Grunde habe ich am Telefon schon alles Wesentliche gesagt«, erklärte Albins Gastgeberin. »Es ist trotzdem nett, Sie zu treffen.«
    Sie setzten sich. Hanna Goldmann schenkte Kaffee ein. Albin nahm einen Schluck. »Sie sagten, Markovics habe sich beobachtet gefühlt?«
    »Das hat sich gestern wohl zu dramatisch angehört. Ich hätte es gar nicht erwähnen sollen. Die Stimmung war damals angespannt. Wir hielten uns gegenseitig viel Unsinn vor. So kam er eben auf die Idee, ich hätte ihm einen Detektiv hinterhergeschickt.«
    »Was haben Sie ihm

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