Rot Weiß Tot
machen.«
Hanna Goldmann warf noch einen Blick zu dem Fenster im Dachgeschoss hinauf. Offenbar vermutete auch sie, dass Wagenschmied sie von dort aus belauschte.
»Einmal konnte er nicht«, sagte sie. »Er erzählte mir immer wieder in unterschiedlichen Varianten davon. Anscheinend suchte er nach einer Version, mit der er leben konnte. Ich war noch stolz darauf, dass er bei mir solche Probleme nie hatte. Ich riet ihm zu weniger Arbeit, kalten Hodenduschen und viel Kürbiskernöl.«
Albin fand, dass Hanna Goldmann trotz des intimen Gespräches erstaunlich unverbindlich klang. »Welche Rolle haben Sie in seinem Leben gespielt?«, fragte er.
»Darüber habe ich viele schlaflose Nächte lang nachgedacht. Seit zwei Jahren ist es vorbei. Ich weiß jetzt, dass ich nicht alle Probleme lösen muss. Ein Mensch kann auch mit ungelösten Problemen leben. Sie sind Begleiter, die nur einem selbst gehören, Geschicklichkeitsspiele, die nie langweilig werden.«
»Hat er Sie geliebt?«
Hanna Goldmann lächelte. »Ich erinnere mich noch gut an seine Antwort, als ich ihn das einmal fragte. Er verstehe die Jagd älterer Männer nach jungen Frauen nicht, sagte er. Neben einer jungen Frau würde er sich alt fühlen, neben einer älteren bleibe er immer jung.«
»Hat Ihnen das genügt?«
»Was denken Sie?«
»Es war sicher schwer für Sie.«
»Er sagte das Gleiche anschließend auch noch auf sein Tonband, um es in seine Versicherungswerbung einzubauen. In Wirklichkeit war er sowohl hinter jüngeren als auch hinter älteren Frauen her.«
»Immerhin scheinen Sie ein Faktor in seinem Leben gewesen zu sein.«
Hanna Goldmann stand auf und steckte den Kopf durch die Terrassentür ins Haus. »Oben zieht es«, sagte sie zu Silvia. »Schließt du bitte die Dachfenster?«
Leiser fuhr sie fort. »Meine Beziehung zu Marko ging von Beginn an nur von mir aus. Ich lud ihn zum Essen ein, zu Spaziergängen in Neuwaldegg und im Sommer zum Baden. Er ließ sich bitten. Nachdem ich ihn irgendwann ins Bett geschleift hatte, teilte er mir förmlich mit, dass wir trotzdem keine Beziehung hätten. Wenn ich das dächte, könnten wir uns nicht mehr treffen, so Leid es ihm täte.«
»Waren Sie enttäuscht?«
»Ich sagte ihm, dass er ohnedies nur im Bett brauchbar und ansonsten ein Idiot sei.«
»War er selbst glücklich auf diese Art?«
»Er wusste nicht, was Glück ist, darum ging es ihm auch nicht ab. Sein Leben war leer, nur in seinen Texten hat er sich gespürt. In den Impulsen, die mit seinen Ideen kamen. Er wäre wohl einmal ein verwirrter älterer Herr geworden.«
»Hat er mit Ihnen über seine Arbeit gesprochen?«
»Ich wusste nie, wo die Grenze zwischen Werbetext und Wirklichkeit verlief. Wie schon gesagt: Manchmal erzählte er erdachte Szenen, als hätten sie sich tatsächlich zugetragen.«
»Welche zum Beispiel?«
»Er behauptete, ein totes Schwein in einem Badesee gesehen zu haben. Es hätte mit aufgeschlitzter Kehle auf einer Luftmatratze gelegen. Die wäre fünfzig Meter vor dem Strand im Wasser getrieben. Er hat mich gefragt, wie ich mir das erklären könnte.«
»Ein totes Schwein auf einer Luftmatratze?«
Hanna Goldmann zuckte die Schultern.
»Wurde ein Werbefilm daraus?«
»Ich glaube nicht.«
»Schräge Idee, falls es nur eine Idee war.«
»Er hatte einen guten Ruf als Kreativer. Freunde und Bekannte rieten ihm, einen Roman zu schreiben. Doch er dachte nur einmal darüber nach. Das war, als in einem Klappentext ein 43-Jähriger als Jungstar unter den amerikanischen Literaten gefeiert wurde. Eine Branche, in der man in seinem Alter noch Jungstar sein konnte, sagte ihm zu.«
»Kannten Sie seine Freunde?«
»Er hatte nur wenige. Es gab seinen hochnäsigen und völlig abgehobenen Kollegen Ralf Stern und einen eitlen Blödmann namens Gregoritsch. Das mit Stern war eine Zweckgemeinschaft. Mit Gregoritsch traf er sich in Ermangelung richtiger Freunde.«
Hanna Goldmann redete offenbar gerne über ihren einstigen Geliebten. Er gehörte ihr wohl im Tod mehr, als er es lebend getan hatte. Hatte diese Frau mit dem sonnigen Gemüt, in dem die Spuren ihrer Enttäuschungen als angenehme Ironie mitschwangen, einen Mord begangen? Minutiös geplant, exakt durchgeführt und besonders grausam?
Albins Handy läutete. Er hatte es nicht abgeschaltet.
»Nehmen Sie es nur«, sagte Hanna Goldmann.
Es war Edith Stern. Sie habe nachgedacht. Er könne vorbeikommen. »Ich werde Ihnen sagen, was wir wissen. Erwarten Sie nichts Besonderes. Wir
Weitere Kostenlose Bücher