Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Rot Weiß Tot

Titel: Rot Weiß Tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Salomon
Vom Netzwerk:
den Regen zur U-Bahn-Station Hütteldorf. Er freute sich auf die Innenstadt. Er war sicher, dass sich der Herbsteinbruch dort weniger klamm anfühlen würde.
    Was sollte er von Gregoritsch halten? War der Mann ein ausgebrannter Phantast, der sich durch verdrehte Äußerungen geheimnisvoll machen wollte? Oder ein philosophierender Eigenbrötler mit einem Hauch von Genialität? Hatte er seelische Abgründe, in denen sich auch Mordmotive entdecken ließen?
    Unterwegs rief er Sarah an. »Wie geht es dir?«
    »Hast du etwas herausgefunden?«
    »Ich frage mich, ob dieser Mord von einem Mann oder einer Frau begangen wurde.«
    Sarah antwortete nach kurzem Nachdenken. »Eine Frau müsste schon sehr hassen, um so zu töten.«

 
    Kapitel 8
     
    Ist da jemand?«
    Die Stimme klang dumpf von draußen herein. Gleichzeitig wurde heftig an die Tür des Fitnessstudios gepocht.
    Albin musste sich erst an sich selbst erinnern: Er hieß Albin Fischer, war sechsundzwanzig Jahre alt, ein Findelkind, Exsträfling und neuerdings Wirtschaftsjournalist. Er hatte eine Freundin namens Sarah und recherchierte ohne Auftrag und nennenswerten Erfolg den Mord an einem gewissen Ronald Markovics.
    Das Pochen an der Tür wurde heftiger. »Hallo, verdammt noch mal.«
    Schlaftrunken rollte Albin aus dem Bett. Wieso gab der Typ nicht einfach auf? Wenn niemand öffnete, war eben niemand da. Was brachte dann das Geschrei?
    Trotzdem streifte er seine Kleidung über. Er erinnerte sich, dass er am Vorabend das Licht beim Eingang hatte brennen lassen. So hatte er sich sicherer gefühlt.
    Er knöpfte seine Hose zu, strich das Haar hinter die Ohren und schlurfte zur Tür. Am Tag zuvor, dachte er, hatte er vielleicht mit einem Mörder gesprochen. Hanna Goldmann konnte Ronald Markovics aus Eifersucht getötet haben. Ihr neuer Freund Wagenschmied wollte vielleicht einen Konkurrenten aus dem Weg räumen.
    Ralf Stern bewahrte mit seinem Schweigen vielleicht ein grausiges Geheimnis. Edith Stern kannte die Geschichte von der missbrauchten Geliebten eine Spur zu gut, und dann gab es noch diesen philosophierenden Lektor und ein rätselhaftes Wesen in einem violetten Toyota.
    Die Tür erzitterte unter heftigem Rütteln. »Was soll das«, rief Albin ärgerlich. Er wollte schon die Klinke drücken, als ihn eine innere Stimme warnte. War er dem Mörder bereits in die Quere gekommen? Wartete da draußen eine schallgedämpfte Pistole auf ihn? Da öffnete er die Tür auch schon, in dem Bewusstsein, sträflich leichtfertig zu handeln.
    »Mann Gottes. Warum haben Sie keine Klingel?«
    »Gibt es keine?«
    »Das wissen Sie gar nicht?«
    »Ich läute nie, wenn ich mich selbst besuche.«
    Albins morgendlicher Gast hatte keine Waffe. Er sah auch sonst nicht bedrohlich aus. Obwohl seine Schultern so breit waren, dass er sie in der Tür quer stellen musste. »Ich komme wegen Ihres Inserats«, grunzte er.
    Er war bloß ein Kunde für die Trainingsgeräte. Albin dachte an seine warnende innere Stimme. Es war offenbar nicht die der Inspiration, sondern jene der Angst gewesen. Er prägte sich ihren Klang ein, um sie in Zukunft besser unterscheiden zu können. »Sehen Sie sich bitte um«, sagte er.
    »Wenn der Preis stimmt, nehme ich alles.«
    Albin nestelte die Geräteliste aus der Thekenlade. Die bereits verkauften Stücke waren darauf ausgestrichen. An einigen Stellen im Studio gab es nur noch mit Roststaub geränderte Schraubenlöcher im Boden.
    Sein Besucher legte da und dort den Finger auf eine zerschlissene Stelle einer Polsterung oder prüfte die Spannung eines Drahtseiles. Albin schätzte ihn auf Anfang vierzig und fragte sich, wie Muskelmänner seines Schlages mit dem Altern umgingen. Der Verfall ihres Körpers musste ein ähnliches Erlebnis sein, wie wenn ein durch harte Arbeit reich gewordener Mann seinem Geld beim Verfaulen im Tresor zusah.
    Zwischendurch stellte sein Besucher kurze Fragen. Albin konnte keine einzige beantworten. Er war beunruhigt. Wenn der Mann tatsächlich alles nahm, war seine Zeit hier vorbei. Er wüsste nicht, wohin er sollte. Er dachte an das Jugendhotel Tulpe in der Siebensterngasse, wo er nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis gewohnt hatte.
    Manche Bewohner der Absteige betrachteten sich als Maler, manche als Musiker, manche stanken, manche stahlen, manche soffen und manche kifften sich das Hirn aus dem Kopf. Dennoch hatte er dort ein Gefühl von Geborgenheit erlebt: Die in Reih und Glied stehenden Bettgestelle aus Eisen, der Geruch nach Suppe in

Weitere Kostenlose Bücher