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Rot Weiß Tot

Titel: Rot Weiß Tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Salomon
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scherzende Bürokommunikation immun gegen Tragödien jeder Art war. Grausame Tode, Katastrophen, Kriege und selbst private Schicksalsschläge von Kollegen wurden nach kurzen Schrecksekunden zu Themen mit ironischen Pointen. Vermutlich war es in Werbeagenturen ebenso.
    »Ich spreche von einer klein gewachsenen Person in einem violetten Toyota«, sagte er.
    Das amüsierte die Frau noch mehr. Ihre Schmetterlinge blitzten im elektrischen Licht auf. »Ist das Ihre heißeste Spur?«
    »Es ist eine Spur.«
    »Da muss ich Sie enttäuschen. Sie sprechen von Olga Dacia, einer unserer freien Mitarbeiterinnen. Sie ist einen Meter zweiundsechzig groß und hat für Markovics Bänder abgetippt. Sie arbeitet zu Hause. Die beiden kannten sich gar nicht.«
    »Wieso war sie dann hinter ihm her?«
    »Olga bildete sich ein, sich in Markos Ideen verliebt zu haben. Er wollte sie nicht kennen lernen. Starallüren. Er meinte, er könne das Tonband nicht mehr unbefangen benutzen, wenn er das Gesicht dahinter kenne.«
    »Deshalb hat sie ihn unauffällig beobachtet.«
    »Bringt sie das in Schwierigkeiten?«
    »Ich bin Journalist, nicht von der Polizei.«
    »Journalisten sind schlimmer als die Polizei. Sie ermitteln nicht nur, sie fällen auch gleich das Urteil.«
    »Wer hat Ihnen das gesagt?«
    »Ich lese Zeitung«, sagte sie kokett.
    »Was macht Olga Dacia jetzt?«
    Albin spürte so etwas wie Jagdlust. Zum ersten Mal kam er einen Schritt weiter. Noch einige solche Schritte, dann konnten er, Sarah und Arko wieder in Ruhe Wochenendausflüge machen und über das Prinzip der Besitzlosigkeit philosophieren.
    »Olga hatte in letzter Zeit kaum Aufträge von uns«, sagte die Empfangsdame. »Nur Übersetzungen. Ihre Muttersprache ist Kroatisch.«
    Albin wandte sich zum Gehen. »Danke.«
    »Was ist nun mit dem Essen?«, fragte die Frau und lachte über Albins Verlegenheit. »Sie könnten mir dabei erklären, wie das mit Markovics wirklich war.«
    »Er ist tot«, sagte Albin trocken.
    »Schon«, fing sie an, »nur …«
    »Er ist tot«, sagte Albin, ehe er die Tür hinter sich schloss.
    Es war schon erstaunlich, dachte er. Nach allen der Polizei vorliegenden Informationen war der Mann nicht nur ein Mal, sondern gleich zwei Mal umgebracht worden. Trotzdem taten alle so, als lebte er noch.
    »Gefällt dir die neue Redaktion nicht?«
    Albin, der eben an seinen Arbeitsplatz zurückgekehrt war, sah Daniel verständnislos an. »Wie meinst du das?«, fragte er.
    »Man sieht dich so selten«, sagte Daniel.
    »Termine.«
    »Ah, Termine.« Daniel vollführte mit seinem Becken Kopulationsbewegungen.
    Albin grinste. Trotzdem wusste er, dass er aufpassen musste. Eben war es nur ein Scherz unter Freunden gewesen. Doch wenn ihm demnächst Vogel die gleiche Frage stellte, würde es nicht so lustig sein.
    Trotz bester Absichten kam er bei der Arbeit nicht in Schwung. Vogel setzte ihn auf den Betriebsrat eines Stahlkonzerns an, dessen Vorstandsvorsitzender angeblich bei der jüngsten Aufsichtsratssitzung abgesägt worden war. Der Gewerkschafter war nicht gleich zu erreichen. Seiner Sekretärin hörte Albin kaum zu. Ein unwillkürlicher Gedanke an die Brüste der Empfangsdame von ID-Kommunikation lenkte ihn ab.
    Gleich darauf fielen ihm die von Sarah ein, obwohl er Sarah noch nie nackt gesehen hatte. In all den Jahren war er nie irrtümlich in die Nassräume geplatzt, wenn sie gerade duschte. Es hatte keine Unachtsamkeiten gegeben, wenn sie abends bei ihm schlafen ging, und kein Oben-ohne-Baden im Sommer. Bei aller Freundschaft fand er das jetzt bedauerlich.
    »Hallo? Wer ist da?«
    Albin hatte mit halber Aufmerksamkeit eine Nummer gewählt. »Fischer vom Report, Wirtschaftsredaktion. Ist das Büro des Betriebsrates zu sprechen?«
    »Das ist das Büro des Betriebsrates.«
    »Entschuldigung. Ich muss durchgewählt haben.«
    »Das haben Sie.«
    »Ist der Betriebsratschef inzwischen zu sprechen?«
    »Sie haben doch vor drei Minuten angerufen.«
    »Ach ja.«
    »Ich habe Ihnen gesagt, dass er zurückrufen wird.«
    »Entschuldigen Sie bitte. Natürlich.«
    Dieser Mord, dachte Albin, brachte sein ganzes Leben durcheinander. Er musste die Sache so schnell wie möglich bereinigen.
    Er sah sich nach Vogel um. Der war nicht in der Nähe. Also suchte er im elektronischen Telefonbuch nach Olga Dada. Er fand sie im zehnten Bezirk, Rotenhofgasse. Er kannte die Gegend. Endstation U 1 Reumannplatz und dann mit einer der Straßenbahnen hinein in die Tiefen des großen Arbeiterbezirkes.
    Den

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