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Rot Weiß Tot

Titel: Rot Weiß Tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Salomon
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dafür, ob in einem Menschen ein Künstler steckt oder nicht.«
    »In Markovics …«
    »In Ihnen zum Beispiel könnte einer stecken. Ich kann mich natürlich auch irren. Wie alt sind Sie?«
    »Sechsundzwanzig. Ich denke …«
    »Da haben Sie noch Zeit. Wir werden sehen. Es hängt auch davon ab, ob Ihnen jemand auf die Sprünge hilft.«
    »Und vom Schmerz«, konnte sich Albin nicht zu sagen verkneifen.
    »Machen Sie sich nur lustig über mich.«
    »Markovics dachte einmal über einen Roman nach.«
    Gregoritsch nickte. »Mehr als Nachdenken war es leider nicht. Ich habe oft mit ihm darüber geredet. Ich mache jeden Tag die leidvolle Erfahrung, dass siebzig Prozent der Mitteleuropäer ein Buch schreiben wollen. Viel zu viele versuchen es, mit fast immer entsetzlichen Ergebnissen. Ausgerechnet einer wie Marko verzichtet darauf.«
    »Warum eigentlich?«
    »Eben deshalb. Weil es alle tun. Aus Überheblichkeit.« Gregoritsch schenkte Orangensaft ein. »Sogar ich habe ernsthafter als er mit diesem Gedanken gespielt.«
    »Was für ein Buch hätte Ihres werden sollen?«
    »Ich hatte Ideen. Nur flossen sie nie in Sprache. Eine Idee birgt viele Möglichkeiten in ihrem Keim. Man kann sie totreden, man kann sie umsetzen oder man kann sie in Belletristik gießen.«
    Der zu stark gekühlte Orangensaft schmerzte Albin im Hals.
    »Haben Sie sich über mich erkundigt?«, fragte Gregoritsch. »Sicher haben Sie das. Nehmen Sie meine Idee für literarische Ferienlager. Ich hätte mir Romanfiguren und eine passende Handlung rundherum ausdenken können. Es wäre ein komisches und vielleicht sogar spannendes Jugendbuch geworden. Stattdessen hatte ich am Ende ein abgelegenes Grundstück mit Holzhütten für Ferienkinder, jede Menge Zoff mit einem Partner und offene Rechnungen. Verrückt, nicht wahr?«
    Albin dachte daran, dass er sich Markovics’ Mörder immer groß und muskulös vorgestellt hatte. Gregoritsch war groß und muskulös. Hatte der Lektor seinem vermeintlichen Freund einen Hanfstrick um den Hals gelegt und ihn im Heidentor aufgeknüpft, statt einen grausigen Krimi zu schreiben? Laut sagte er: »Immerhin wurden die Lager ein Erfolg.«
    Gregoritsch machte eine wegwerfende Handbewegung. »Die guten Dinge sind jene, die zu Sprache werden. Sie sind rein. Die Welt ist schmutzig.«
    »Warum schreiben Sie dann nicht?«
    »Ich rede zu früh über meine Ideen. Das war schon immer mein Problem. So verschließt sich der künstlerische Weg für die Inspirationen. Sie werden mit den Keimen der Wirklichkeit infiziert.«
    Albin fürchtete, Gregoritsch würde nun in einen abgehobenen Monolog über Gott, die Kunst und die Welt verfallen. »Was dachten Sie über die Geschichte mit der bezahlten Mörderin auf dem Tonband?«, fragte er deshalb.
    »Im Grunde habe ich immer darauf gewartet, dass Marko zurückkommt und wir über seinen Streich lachen würden.«
    »Was denken Sie jetzt?«
    »Ich weiß es nicht. Das Gleiche.«
    »Markovics ist definitiv tot.«
    »Natürlich. Trotzdem.«
    »Wie eng waren Sie befreundet?«
    »Wir kannten uns gut.«
    »Hatte Markovics noch andere Freunde?«
    »Diese Fragen hat mir die Polizei bereits vor zwei Jahren gestellt«, sagte Gregoritsch, der mit einem Schlag abgespannt wirkte. »Es gab einen Mann namens Ralf Stern, einen blasierten Langweiler, der am Rockzipfel seiner noch blasierteren Frau hing.«
    »War die Polizei jetzt wieder bei Ihnen?«
    »Heute. Ein Chefinspektor, der gar nicht zuhören wollte, hat Fragen gestellt.«
    Albin stellte sich vor, wie Gregoritsch Bergmann bei laufendem Tonband seine These über den künstlerischen Keim jeder Idee darlegte. »Markovics fühlte sich schon Monate vor seinem Verschwinden beobachtet«, sagte er.
    »Davon weiß ich nichts«, sagte Gregoritsch und wurde für einen Augenblick wieder aufmerksamer. »Wer soll ihn beobachtet haben?«
    »Ein kleingewachsener Mensch in einem violetten Toyota Kombi.«
    »Noch so eine Geschichte.«
    Der Blick des Lektors glitt zum Fernseher, von dort zum Kühlschrank und weiter zu Albin und zur Tür. Anscheinend wollte er sich ungestört mit einem Bier vor die Flimmerkiste werfen.
    »Ich will Sie nicht länger aufhalten«, sagte Albin und erhob sich.
    »Es hat gut getan, über Marko zu sprechen«, erwiderte Gregoritsch. »Lassen Sie mir Ihre Karte da, falls Sie eine haben. Und wenn Sie tatsächlich ein Buch schreiben, dürfen Sie es mir trotz allem schicken. Merken Sie sich, was ich Ihnen gesagt habe.«
    In seinen Stoffschuhen ging Albin durch

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