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Rot wie das Meer

Titel: Rot wie das Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Stiefvater
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von Thisby vertreibt. So stark seine Bindung zu Finn und mir auch sein mag, dieses Etwas ist stärker.
    »Puck?«, fragt Gabe und ich fahre zusammen, weil seine Stimme aus irgendeinem Grund wie Finns klingt.
    »Ja?«
    »Ich würde jetzt gerne schlafen.«
    Aber das tut er nicht. Er dreht sich auf die Seite und sein Atem ist unregelmäßig, wachsam. Ich bin nicht sicher, wie lange er noch so daliegt, ich weiß nur, dass ich vor ihm einschlafe.

39
    Sean Am schwarzen, frühen Morgen weckt mich der Sturm.
    Der Wind brüllt über meinem Kopf wie ein Motor, wie die Brandung, wie der Schrei einer Meereskreatur. Als meine Augen sich an die Dunkelheit gewöhnt haben, sehe ich draußen Lichter. Regen peitscht in Wellen über die Fensterscheibe, wütend, dann noch wütender.
    Jetzt höre ich die Pferde. Sie wiehern und rufen und treten gegen die Wände. Der Sturm hat sie in wilde Panik versetzt und irgendetwas dort draußen schreit. Es war der Schrei, der mich geweckt hat, nicht der Wind.
    Ohne nachzudenken, setze ich mich auf, dann aber zögere ich. Das dort unten sind meine Pferde in ihrem vom Sturm gerüttelten Stall in dieser furchterregenden Nacht. Gleichzeitig aber sind sie es nicht und ich habe gekündigt, wodurch sie mir noch weniger gehören als zuvor. Ich sollte hierbleiben und nichts tun, die Nacht machen lassen, was sie will. Warten, bis Malvern am nächsten Morgen das Bild der Zerstörung sieht und beschließt, dass meine Arbeit immer unbezahlbar ist.
    Ich schließe die Augen, die Stirn auf meine Faust gestützt, und lausche auf das Heulen von draußen. Näher, direkt unter mir, höre ich, wie ein Pferd immer wieder in Panik gegen die Stallwand tritt und dabei entweder die Wand oder seine eigenen Knochen zertrümmert.
    Sie überschätzen Ihre Bedeutung für diesen Hof Mr Kendrick.
    Aber das stimmt nicht.
    Ich kann kein Pferd sterben lassen, nur um mit Malvern Spielchen zu spielen.
    Ich schlüpfe in meine Stiefel und schnappe mir meine Jacke, und gerade als ich die Hand nach dem Türknauf ausstrecke, klopft es von der anderen Seite an das Holz.
    Es ist Daly. Sein nasses Haar klebt ihm im Gesicht und er hat Blutflecken an den Ärmeln. Er zittert unkontrolliert. »Malvern sagt, wir sollen es ohne dich machen, aber wir schaffen es nicht. Er braucht ja nichts davon zu erfahren. Bitte.«
    Ich hebe meine Hand mit der Jacke, um zu zeigen, dass ich schon auf dem Weg war, dann huschen wir die schmale, dunkle Treppe in den Stall hinunter. Alles riecht nach Regen und Meer und noch mehr Regen.
    Daly läuft neben mir. »Sie wollen sich einfach nicht beruhigen. Irgendwo da draußen ist ein Capaill Uisce und wir wissen nicht, ob es bei den Pferden ist oder ... wir wissen nicht, welches von ihnen verletzt ist, aber dieses Schreien – du hörst es ja. Sie treten sich noch alle die Beine kaputt. Sobald man eins zur Ruhe gekriegt hat, machen die anderen es sofort wieder verrückt.«
    »Solange es so weiterschreit, werden sie sich auch nicht beruhigen«, sage ich. Jeder einzelne Stallbursche, Pferdepfleger und Bereiter, den Malvern beschäftigt, ist auf den Beinen, um die wertvollsten Tiere zu beruhigen. Die Glühbirnen an der Decke schwingen im Wind, der einen Weg hereingefunden hat, und das schwankende Licht streift mich und verschwindet dann wieder, als würde ich jeden Moment das Bewusstsein verlieren. Ich komme an Mettles Box vorbei. Sie steigt alle paar Sekunden und schrammt beim Herunterkommen mit ihren Vorderhufen an der Wand entlang. Wenn sie sich bis jetzt noch keine ernsthaften Verletzungen zugezogen hat, kann es nicht mehr lange dauern. Ich höre Corr schnalzen und singen, was die Pferde in seiner Nähe in den Wahnsinn treibt. Irgendwo hinter mir schlägt ein Pferd mit dem Huf gegen die Wand, rhythmisch und besinnungslos vor Angst. Das Schreien draußen hält noch immer an.
    Mit Daly auf den Fersen halte ich auf Corrs Box zu. Meine Hand in meiner Tasche schließt sich um einen Stein mit einem Loch darin. Jedem anderen Wasserpferd würde ich heute Nacht diesen Stein ins Halfter knoten, damit der Lärm, den er in seinem Kopf verursacht, den Ruf der Novembersee übertönt. Aber Corr ist nicht jedes andere Wasserpferd und solche Tricks würden ihm nur noch mehr Angst einjagen.
    Ich öffne die Faust und lasse den Stein in meiner Tasche.
    »Sag den anderen Bescheid«, rufe ich Daly zu. »Die sollen mir den Weg frei machen.«
    Ich öffne die Tür von Corrs Box und er macht einen Satz in Richtung Gang. Ich presse ihm die Hand auf

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