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Rot wie das Meer

Titel: Rot wie das Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Stiefvater
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untergegangene Sonne nur noch ein rotes Glühen zurückgelassen hat. Dort draußen sind meine Capaill Uisce, George Hollys Amerika und jede Gallone Wasser, die den Rumpf eines jeden Schiffes trägt.
    Puck wendet den Blick nicht von dem orangefarbenen Schimmer am anderen Ende der Welt. »Sag mir, wie es ist. Das Rennen.«
    Wie es ist. Das Rennen ist eine Schlacht. Ein Gewirr aus Pferden und Männern und Blut. Die Schnellsten und die Stärksten, die nach zwei Wochen Training am Strand noch übrig sind. Gischt in deinem Gesicht, die tödliche Magie des Novembers auf deiner Haut, Skorpio-Trommeln anstelle deines Herzschlags. Atemberaubende Schnelligkeit, wenn man Glück hat. Es ist das Leben und der Tod oder beides auf einmal und nichts ist damit vergleichbar. Es hat eine Zeit gegeben, in der dieser Augenblick – das letzte Abendlicht am Tag vor dem Rennen – für mich der glücklichste des ganzen Jahres war. Die Vorfreude auf das bevorstehende Rennen. Doch das war zu einer Zeit, als ich nichts zu verlieren hatte als mein Leben.
    »Niemand an diesem Strand morgen ist mutiger als du.«
    Ihre Stimme klingt abfällig. »Als ob das eine Rolle spielt.«
    »Das tut es. Was ich bei dem Fest gesagt habe, war ernst gemeint. Diese Insel schert sich nicht um Liebe, die Mutigen stehen in ihrer Gunst.«
    Jetzt sieht sie mich an. Sie wirkt wild, rot, unvergänglich und wandelbar, alles, was Thisby zu dem macht, was es ist. Sie fragt: »Fühlst du dich mutig?«
    Die Pferdegöttin hat mir einen weiteren Wunsch gewährt. Diese
    Gunst fühlt sich nun dünn wie ein Faden an. Ich erinnere mich an die Jahre, in denen sie sich wie ein Versprechen angefühlt hat. »Ich weiß nicht, was ich fühle, Puck.«
    Puck löst ihre verschränkten Arme gerade so weit, dass sie ihr Gleichgewicht halten kann, als sie sich zu mir herüberbeugt. Sie schließt die Augen, als wir uns küssen.
    Sie löst sich von mir und blickt mich an. Ich habe mich nicht bewegt und sie sich nur ein winziges Stückchen und trotzdem fühlt sich die Welt unter mir seltsam an.
    »Sag mir, was ich mir wünschen soll«, flüstere ich. »Sag mir, um was ich die See bitten soll.«
    »Glücklich zu sein. Bitte um Glück.«
    Ich schließe die Augen. Meine Gedanken sind erfüllt von Corr, dem Ozean, Puck Connollys Lippen auf meinen. »Ich glaube nicht, dass es so etwas auf Thisby gibt. Und selbst wenn, wüsste ich nicht, wie ich es halten sollte.«
    Die Brise streicht über meine geschlossenen Lider, sie trägt den Duft von Salz und Regen und Winter mit sich. Ich höre, wie der Ozean sich rauschend an die Insel schmiegt, sein ewiges Wiegenlied.
    Pucks Stimme erklingt in meinem Ohr; ihr Atem wärmt meinen Hals unter meinem Jackenkragen. »Du flüsterst ihnen etwas zu. Was immer sie gerade hören müssen. Das hast du doch gesagt, oder?«
    Ich drehe den Kopf, sodass ihre Lippen meine Haut berühren. Der Kuss fühlt sich kühl an, wo der Wind über meine Wange streicht. Sie lehnt ihre Stirn in mein Haar.
    Ich öffne die Augen und die Sonne ist verschwunden. Es ist, als trüge ich den Ozean im meinem Inneren, wild und ungezähmt. »Das habe ich. Also, was muss ich hören?«
    Puck flüstert: »Dass wir beide morgen den Strand regieren werden wie der König und die Königin von Skarmouth, dass ich unser Haus retten werde und du deinen Hengst bekommst. Dove wird für den Rest ihrer Tage goldenen Hafer fressen und du wirst jedes Jahr bei dem Rennen triumphieren und Menschen von jeder Insel auf der
    ganzen Welt werden nach Thisby kommen, um herauszufinden, wie du die Pferde dazu bringst, auf dich zu hören. Die gescheckte Stute wird mit Mutt Malvern im Meer verschwinden und Gabriel wird sich entschließen, doch auf der Insel zu bleiben. Ich werde einen Hof haben und du bringst mir Brot zum Abendessen.«
    »Genau das musste ich hören«, sage ich.
    »Weißt du jetzt, was du dir wünschen sollst?«
    Ich schlucke. Ich habe keine Muschelschale, die ich dabei ins Meer werfen kann, aber ich weiß, dass der Ozean mir auch so zuhört. »Das zu bekommen, was ich brauche.«

57
    Puck Es ist wie damals, bevor Dad mit dem Boot rausfuhr und das Haus voller Geschäftigkeit war. Egal, ob er frühmorgens oder spät in der Nacht fortmusste, um den Schwärmen und Gezeiten zu folgen, Mum war jedes Mal auf den Beinen, um Proviant für ihn zu backen, während Gabe in seinem Zimmer saß und aufpasste, ob Dad auch sein Rasiermesser einpackte, und Finn und ich uns an seine Beine klammerten, in seine Tasche kletterten

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