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Rot wie das Meer

Titel: Rot wie das Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Stiefvater
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Uisce neben mir schüttelt seinen Kopf, Schaum rinnt ihm Hals und Brust hinunter.
    Der Countdown hat begonnen.
    Das Meer singt: Schhhhhhhh, schhhhhhh.
    Die Stangen heben sich.

62
    Puck Es ist wie eine Explosion. Es gibt keine Vernunft mehr, keine Logik; alles, woran ich mich erinnern kann, ist, Dove weit nach innen zu lenken. Keiner will der Novembersee zu nahe kommen, wenn es nicht sein muss. Doves Hufe wirbeln die Gischt auf und Salzwasser benetzt mein Gesicht. Irgendwie gelangt das Salz zwischen meine Finger und die Zügel, und die winzigen Kristalle scheuern und brennen.
    Etwas kracht hart gegen mein Bein und die Schnalle meines Steigbügelriemens bohrt sich mir bis auf den Knochen ins Fleisch. Ich drehe den Kopf und sehe ein riesiges braunes Capaill Uisce, das sich an uns drängt. Ich treibe Dove weiter ins Wasser, als der Braune plötzlich den Kopf herumreißt und nach ihr schnappt. Doves Ohren pressen sich flach an ihren Schädel und ich erkenne, dass der Reiter Gerald Finney ist. Seine Fäuste sind so fest um die Zügel geklammert, dass die Fingerknöchel weiß hervortreten, aber er würdigt mich keines Blickes. Das Zittern, das ich durch den Sattel bis zu mir herauf spüre, sagt mir, dass Dove sein Capaill erkannt hat. Ich presse ihr beide Waden in die Flanken. Lass dich nicht einschüchtern, Dove. Wir haben noch einen weiten Weg vor uns.
    Zu spät fällt mir ein, dass ich Doves Kräfte einteilen wollte, und nehme sie etwas zurück. Pferde preschen an uns vorbei; Ian Privett in Grün, Blackwell in Hellblau und die gescheckte Stute in Gold. Aber kein roter Hengst in Dunkelblau. Ich habe keine Ahnung, ob er so weit vorn ist, dass ich ihn nicht sehen kann, oder ob er hinter mir ist.
    Sean Ich halte nach Puck oder Dove Ausschau, aber in diesem Gewirr von Leibern kann ich nichts erkennen. Corr ist schwer zu halten; meine erschöpften Schultern schmerzen jetzt schon von der Anstrengung. Meine Waden brennen von der Reibung der Steigbügelriemen. Ich bin nicht sicher, wie lange ich Corr zurückhalten soll, um nach ihr zu suchen. Hinten ist der gefährlichste Ort im ganzen Rennen; die Capaill hier bleiben nicht zurück, weil sie langsam sind, sondern weil sie kämpfen, miteinander oder mit dem Meer. Die Hufe vor uns wirbeln mir Sand ins Gesicht. Meine Augen brennen, aber ich habe keine Hand frei, um die Körnchen wegzuwischen.
    Rechts von mir gehen ein Schimmel und ein Fuchs aufeinander los. Sie versuchen, Corr mit in ihre Rangelei hineinzuziehen. Ich halte ihn gerade und treibe ihn an: nicht zu schnell, denn falls Puck hinter mir ist, will ich sie nicht abhängen. Meine Hände graben sich in die schweißnasse Mähne über Corrs Widerrist und ich spüre, wie seine Muskeln unter dem Ruf der Novembersee erbeben. Ich flüstere ihm zu, ruhig zu bleiben.
    Ich spähe unter meinem Arm hindurch nach rechts, um nach Puck zu suchen; aber dort läuft nur der Schimmel, geradewegs in die Brandung. Er wirkt schon jetzt wie eine Meereskreatur. Seine Augen sind nur noch Schlitze in seinem stetig länger werdenden Kopf. Das Pferd windet und verrenkt sich, es interessiert sich mehr für den Reiter auf seinem Rücken als für das Rennen. Meerwasser spritzt von irgendwoher auf und seine eisige Kälte gräbt sich wie Klauen in meine Wange-
    Ein anderes Capaill drängt sich auf meine linke Seite; die Stute schnappt nach mir und ritzt mit ihren Zähnen mein Bein, bevor ihr Reiter ihren Kopf zurückreißt. Ich kann nicht länger hier hinten bleiben. Ich muss von hier weg und Puck finden. Wenn sie es nicht aus diesem Gerangel herausgeschafft hat, ist sie vielleicht längst tot.
    Ich beuge mich über Corrs Hals, um ihm etwas zuzuflüstern, aber zum ersten Mal fällt mir nichts ein, was ich zu ihm sagen könnte.
    Doch es spielt keine Rolle. Corr weiß, was ich von ihm will, ohne
    dass ich es aussprechen muss, und er bringt uns mit ein paar kräftigen Sprüngen aus dem Gedränge.
    Ein schmaler Durchgang öffnet sich, geradewegs bis zur Spitze, wo die drei Führenden ihren Kampf austragen. Letztes Jahr hätte ich Corr durch dieses Loch getrieben und sie hätten für den Rest des Rennens die Pferdelängen zwischen mir und ihnen zählen können.
    Aber nicht dieses Jahr.
    Dieses Jahr warte ich.
    Puck Es dauert nur eine Minute, bis Dove gebissen wird, und ein paar weitere Sekunden, bis ich etwas Messerscharfes mein Bein ritzen spüre, und es fühlt sich nicht nach Pferdezähnen an. Ich habe keine Zeit nachzusehen, was mich verletzt hat. Wir sind in

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