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Rot wie das Meer

Titel: Rot wie das Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Stiefvater
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nachgedacht hätte.«
    »Achtung, die ist bissig!«, ruft jemand.
    Ich presse die Lippen aufeinander und dränge mich weiter durch. Irgendwo in diesem Gewühl müssen Gabe mit meinen Rennfarben und Finn mit meinem Mittagessen sein.
    »Kate Connolly, ist es Ihr Ziel, die Gesellschaft zu verändern?«
    Ich blinzele und weiche einen Schritt zurück. Vor mir steht ein Mann in einem braunen Anzug, der aussieht, als habe er mehr gekostet als unser Haus, mit einem Notizblock in der Hand. Hinter ihm sehe ich einen Fotografen mit einem riesigen Blitzlicht. Die Menge hinter mir und Dove hat sich wieder geschlossen. Ich fühle mich wie in der Falle.
    »Das Einzige, was ich verändern will, ist meine derzeitige Situation.«
    »Sie würden also nicht sagen, dass die Frauenbewegung Sie inspiriert hat?«
    Ich recke den Hals, um nach meinen Brüdern oder Dory Maud oder irgendjemandem, den ich kenne, Ausschau zu halten. Ich habe noch nie in meinem Leben so viele Männer mit Melonen gesehen. »Ich bin bloß ein Mensch mit einem Pferd, so wie alle anderen auf dieser Insel auch. Wenn Sie jetzt gestatten würden? Sie machen mein Pferd unruhig.«
    Der Reporter fragt weiter: »Was sagen Sie zu all den Leuten hier auf Thisby, die dagegen sind, dass Sie das Rennen reiten?«
    »Ich habe keine schlaue Antwort für Sie«, erwidere ich gereizt.
    »Nur noch eins, Miss Connolly. Was meinen Sie, wie das Rennen
    für Sie ausgehen wird? Glauben Sie, Sie haben eine Chance, ins Ziel zu kommen?« Als ich Dove kurzerhand weiterführe, beeilen sie sich, um sich uns wieder in den Weg zu stellen. Diese Männer machen mich nervöser als bisher alles andere an diesem Tag. Ich hatte nicht erwartet, derart auf dem Präsentierteller zu landen, und schon gar nicht in einer Zeitung vom Festland.
    Ich werfe ihm einen wütenden Blick zu. »Fragen Sie bei Gratton nach. Die wissen da alles.«
    Wieder versuche ich, Dove zwischen uns zu positionieren, um sie von mir abzubringen.
    »Puck!«
    Gereizt drehe ich mich in die Richtung, aus der ich meinen Namen gehört habe, und sehe Sean. Anders als ich, die ich mich durch die Menge drängen muss, marschiert er ungehindert zwischen den Leuten hindurch. Sie machen für ihn Platz, ohne dass es ihnen bewusst ist. Er trägt ein weißes Hemd und ist außer Atem und so kann ich es einen Moment lang kaum glauben, dass er es ist.
    Er tritt dicht an mich heran, dem Reporter den Rücken zugewandt, und neigt mir seinen Kopf zu. Ich bin mir der Blicke, die auf uns liegen, sehr bewusst, aber Sean scheint sie nicht zu bemerken. »Wo sind deine Rennfarben?«, fragt er.
    »Gabe ist losgegangen, um sie zu holen.«
    »Sie werden unten am Strand vergeben«, erwidert er. »Du musst sie dir dort besorgen.«
    »Hast du deine schon?«
    »Ja. Ich kann so lange Dove halten, während du sie dir holst.«
    Dove erschaudert, als jemand ihre Flanke berührt. Es ist alles zu laut und zu viel für sie. Ich mache mir Sorgen, dass sie ihre gesamte Energie schon hier oben auf der Klippe aufbraucht, lange bevor wir den Strand auch nur erreichen. Ich denke an Peg Grattons Warnung, am Tag des Rennens nicht irgendjemand anderen an meinen Sattelgurt zu lassen. Aber Sean, beschließe ich, ist nicht irgendjemand. »Kannst du dafür sorgen, dass sie von ihr wegbleiben?«
    Er antwortet mit einem knappen Nicken.
    Leise, sodass er sich ein Stück zu mir herunterbeugen muss, um es zu hören, sage ich: »Danke.«
    Sean greift zwischen uns und streift mir ein schmales Armband aus rotem Stoff über die freie Hand. Dann zieht er meinen Arm nach oben und drückt seine Lippen auf die Innenseite meines Handgelenks. Ich stehe ganz still; ich spüre, wie mein Puls ein paarmal gegen seine Lippen pocht, dann lässt er meine Hand wieder los.
    »Bringt Glück«, erklärt er und nimmt mir Doves Strick aus der Hand.
    »Sean«, sage ich und er dreht sich wieder zu mir um. Ich umfasse sein Gesicht und küsse ihn fest auf den Mund. Plötzlich muss ich an jenen allerersten Tag am Strand denken, als ich seinen Kopf aus dem Wasser gezogen habe.
    »Bringt Glück«, sage ich in sein verblüfftes Gesicht.
    Ein Blitzlicht zuckt und um uns herum erhebt sich beifälliges Gejohle.
    »In Ordnung«, sagt Sean, als hätten wir gerade einen Pakt geschlossen, mit dem er einverstanden ist. Dann wendet er sich den Zuschauern zu und ruft: »Wenn Sie wollen, dass es ein Rennen gibt, dann machen Sie ein bisschen Platz für dieses Pferd. Na los.«
    Als die Menge zurückweicht, dränge ich mich zwischen den

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