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Rot wie das Meer

Titel: Rot wie das Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Stiefvater
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einem Knäuel von Pferdekörpern gefangen. Selbst über den Wind in meinen Ohren hinweg höre ich das Quieken und Brüllen, das Schnalzen und Knurren, während sie einander bekämpfen.
    Ich spüre die beunruhigende Wärme von Blut, das mir aus der Wunde in meinem Oberschenkel das Bein hinunterrinnt, aber noch keinen Schmerz. Was immer mich dort verletzt hat, war so scharf, dass der Schnitt sauber ist.
    Dove gerät mehr und mehr in Panik. Eine Bewegung zu ihrer Rechten lässt sie so heftig den Kopf hochreißen, dass der Zügel eine der brennenden Blasen in meinen Handflächen aufscheuert. Ich sehe Weiß in ihren Augen.
    Wir müssen hier weg. Sand prickelt auf meinen Wangen und in meinen Augenwinkeln, aber ich habe keine Hand frei, um ihn fort-zuwischen. Ich weiß nicht, wie wir weiter nach vorne kommen sollen, bis das Capaill Uisce rechts von uns seitlich ins Meer ausbricht; es springt über die Wellen und windet sich in der Luft, bevor es ihm gelingt, seinen Reiter abzuwerfen.
    Es ist Finney. Unsere Blicke kreuzen sich für kaum eine Sekunde
    und seine Arme rudern durchs Wasser, dann graben sich die fahlen Zähne seines braunen Capaill in seine Wange.
    Im nächsten Moment bin ich an ihnen vorbei und sie sind weg und nichts als schäumendes Wasser zeichnet ein dunkles Muster auf Doves Schulter. Und mir ist schlecht, so schlecht.
    Plötzlich öffnet sich ein schmaler Durchgang, wo noch einen Moment zuvor ein Capaill Uisce gewesen ist. Wenn ich ein kleines bisschen von Doves kostbarer Kraft dafür aufwende, sie geradewegs dort hindurchzutreiben, könnten wir diesem Getümmel entkommen.
    Es hat keinen Zweck, ihre Kraft aufzusparen, wenn uns dieses Gerangel das Leben kostet. Ich drücke meine Waden an ihren heißen Körper und mit einem Mal scheint der Knoten geplatzt zu sein. Dove findet endlich ihren Rhythmus und wir lösen uns aus dem gefährlichen Gedränge, in dem wir gefangen waren. Und im nächsten Moment sehe ich, direkt hinter einem der Capaill an der Spitze, einen roten Hengst in Blau und, tief über seinen Hals gebeugt, Sean Kendrick.
    Ich wische ein bisschen Blut von dem Biss in Doves Schulter. Er ist nicht tief, aber ich fühle mich trotzdem schuldig. Ich sage »Tut mir leid« zu ihr und sie dreht mir ein bebendes Ohr zu. Ich lasse die Zügel ein winziges bisschen lockerer. Sie ist noch immer halb verrückt vor Angst, aber einen Augenblick lang habe ich ihre ganze Aufmerksamkeit.
    Konzentrier dich. Ich stelle mir fest vor, wir würden auf der Klippe reiten, und halte sie gerade, ruhig. Ich denke daran, wie die Uisce- Stute sich von der Kante gestürzt hat. Das Geheimnis ist, sich auf das Rennen zu konzentrieren, während die anderen alles um sich herum vergessen, was nicht der Ozean ist.
    Ich halte durch.
    Sean Ein Neuankömmling taucht zu unserer Rechten auf und Corr, den die Nähe der See in den Wahnsinn treibt, wirft den Kopf herum, um nach ihm zu schnappen. Ich zügle ihn und das Pferd
    neben uns zuckt zusammen, aber es fällt nicht zurück. Ohren mit schwarzen Spitzen. Kleiner als Corr. Kleiner als alle anderen Pferde an diesem Strand. Ganz gewöhnliche Muskeln, die unter seiner Haut pumpen und arbeiten.
    Es ist Dove, die im Takt mit uns mithält; auf ihrer Satteldecke flattern Federn im Wind. Ich werfe einen Blick zu Puck hinüber, dann noch einen und dann einen zu Dove. Dove ist gebissen worden, aber die Wunde ist nicht tief. Auch Puck blutet. Doch im Gegensatz zu Doves unregelmäßiger Bisswunde ist der Schnitt in Pucks Bein sauber und lang, der Stoff ihrer Hose aufgeschlitzt. Diese Wunde stammt von einem Messer, nicht von einem Pferd. Von jemandem, der etwas dagegen hat, dass sie hier mit uns am Strand ist. Wenn ich zu lange darüber nachdenke, werde ich wütend, und wenn ich wütend werde, bin ich abgelenkt und das kann ich mir nicht leisten.
    Denn vor uns ist das Chaos ausgebrochen. Das Schlimmste daran ist der Lärm – das Keuchen der erschöpften Capaill, ihr Kampfgeschrei, das anhaltende Donnern ihrer Hufe, das Fauchen der See. Das Heulen und Schnalzen und, im Hintergrund, das Gebrüll der Menge auf der Klippe. Allein diese Geräusche können ein Pferd in den Wahnsinn treiben, wenn es nicht schon die Novembersee täte.
    Ein Capaill vor uns buckelt und galoppiert schräg über den Strand, während der Reiter alles versucht, um es vom Wasser fernzuhalten. Zwei andere beginnen sich zu schubsen und zu kabbeln und werden dabei so langsam, dass wir sie überholen können. Sie sind ein einziger Wust

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