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Rot wie das Meer

Titel: Rot wie das Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Stiefvater
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wenigen Sekunden haben wir die Höhle, die das Ende des bereitbaren Abschnitts markiert, hinter uns gelassen. Der Rausch der Geschwindigkeit durchströmt meinen Körper wie Bläschen, die an der Wasseroberfläche zerplatzen. Ich will nicht darüber nachdenken, ob sie schneller ist als Corr, auf jeden Fall muss sie nahe dran sein. Aber wie soll ich das beurteilen, ohne ihn hier bei mir zu haben?
    Der Grund wird zunehmend steinig. Als ich sie zügeln will, bäumt sich die Stute auf, sie bleckt die Zähne und schnappt wild um sich wie das Raubtier, das sie ist.
    Mit einem Mal wird der Seegeruch übermächtig. Nicht der Geruch des Strands, den die meisten Menschen damit verwechseln. Nicht der von Algen oder Salz, sondern der, der dir das Gefühl verleiht, mit dem Kopf unter Wasser zu sein, Flüssigkeit zu atmen, den Ozean selbst in den Lungen zu spüren. Mein Eisen zeigt keine Wirkung, als wir durch die Brandung preschen.
    Meine Finger graben sich in ihre Mähne, knüpfen Dreier- und Siebenerknoten. Ich singe in ihr Ohr, während ich sie immer kleinere Zirkel laufen lasse, immer weiter weg vom Wasser. Nichts ist mehr sicher.
    Während wir über den Sand dahinrasen, beginnt ihre Magie nach mir zu rufen, tückisch. Zum Glück kommt meine bloße Haut nur an wenigen Stellen mit ihr in Berührung – hin und wieder streift eins meiner Handgelenke ihren Hals, aber meine Beine stecken sicher in den Stiefeln. Trotzdem spüre ich im ganzen Körper ihren Herzschlag, ein Wispern, das mich drängt, ihr zu vertrauen. Das mich beschwört, mit ihr zusammen in die Fluten zu tauchen. Ich verdanke es den zehn Jahren, die ich schon mit Wasserpferden arbeite, dass ich mich schließlich erinnere, wer ich bin.
    Und das nur vage.
    Alles in mir schreit danach, mich in diesem Kampf geschlagen zu geben. Mich gemeinsam mit ihr in den Ozean zu stürzen.
    Dreierknoten. Siebenerknoten. Eisen in meiner Handfläche.
    Ich flüstere: »Du wirst mich nicht ertränken.«
    Endlose Minuten scheinen zu vergehen, bis ich sie zügeln und zurück zu Gorry reiten kann, obwohl es wahrscheinlich nur Sekunden sind. Noch immer gleicht ihr Hals unter meinen Händen einer Schlange und sie hat ihre Zähne gebleckt, wie kein Landpferd es jemals tun würde. Sie zittert unter mir.
    Ihre Schnelligkeit ist schwer zu vergessen.
    »Hab ich dir nicht gesagt, dass sie das Schnellste ist, was du je geritten hast?«, fragt Gorry.
    Ich lasse mich von ihrem Rücken gleiten und reiche ihm die Zügel. Er nimmt sie entgegen und sein ramponiertes Gesicht wirkt verwirrt.
    »Diese Stute wird jemanden töten«, sage ich.
    »Na, na«, protestiert Gorry. Dann: »Sie haben alle schon jemanden getötet.«
    »Ich will sie nicht«, erkläre ich, obwohl ein Teil von mir das anders sieht.
    »Dann nimmt sie jemand anders«, entgegnet Gorry. »Und du ärgerst dich schwarz.«
    »Dann stirbt jemand anders«, erwidere ich. »Lass sie frei.«
    Ich wende mich ab.
    Hinter mir höre ich Gorry sagen: »Sie ist schneller als dein Roter.«
    »Lass sie frei«, wiederhole ich, ohne mich umzudrehen.
    Doch ich weiß, dass er es nicht tun wird.

7
    Puck Ich hätte nicht gedacht, dass es so schrecklich werden würde.
Es fühlt sich an, als würde sich die gesamte Insel auf dem Strand drängen. Finn hat mich überredet, dass wir den Morris nehmen, mit dem wir natürlich prompt liegen bleiben, sodass wir erst nach allen anderen ankommen. Vor uns erstrecken sich zwei Meere: die tiefblaue See in der Ferne und, direkt unter uns, ein riesiges Gewimmel aus Pferden und Männern. Es sind ausschließlich Männer, keine einzige Frau ist darunter, es sei denn, man zählt Tommy Falk als eine, weil er so hübsche Lippen hat. Die Männer sind tausendmal lauter als der Ozean. Ich habe keine Ahnung, wie sie dort unten trainieren, sich bewegen oder auch nur atmen wollen. Alle brüllen die Pferde oder sich gegenseitig an. Das Ganze wirkt wie ein einziger riesiger Streit, ohne dass ich sagen könnte, wer hier wütend auf wen ist.
    Als Finn und ich den langen, steilen Pfad erreichen, der zum Strand hinunterführt, zögern wir beide. Der Boden unter unseren Füßen ist aufgewühlt von den Hufen der Pferde, die bereits hier entlanggeführt worden sind. Finn runzelt die Stirn, als er die Masse von Menschen und Tieren sieht. Mein Blick dagegen bleibt sofort an einem Pferd hängen, das weit hinten an der zurückgewichenen Wasserlinie entlanggaloppiert. Es ist leuchtend rot, wie frisches Blut, und über seinem Hals duckt sich eine kleine,

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