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Rot wie das Meer

Titel: Rot wie das Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Stiefvater
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es sei denn, man gewinnt das Rennen. Dann könnte man sich die ganze Insel kaufen, wenn man denn wollte. Na ja, oder zumindest den größten Teil von Skarmouth, bis auf den Teil, der schon Benjamin Malvern gehört.
    Der Zwerg blickt mich an.
    »Nein«, sagt er. Aber ich sehe ihm an, dass er eigentlich meint: Nicht mit dir.
    In meinem Inneren breitet sich Unruhe aus, denn die Möglichkeit, dass sie einfach Nein sagen könnten, hatte ich gar nicht bedacht. Gibt es denn so viele Leute, die bereit sind, ein Capaill Uisce zu reiten, dass die Händler es sich leisten können, wählerisch zu sein? Ich höre mich selbst sagen: »Aha. Könnten Sie mir dann jemanden empfehlen, der vielleicht Interesse hat?« Schnell füge ich noch »Sir« hinzu, denn Dad hat einmal gesagt, dass diese Anrede selbst den schlimmsten Rüpel in einen Gentleman verwandelt.
    »Melonen«, erwidert der Zwerg. »Frag die.«
    Manche Rüpel bleiben allerdings Rüpel. Als ich noch jünger war, hätte ich ihm an dieser Stelle auf die Schuhe gespuckt, aber diese Angewohnheit hat Mum mir gründlich ausgetrieben, mithilfe eines kleinen blauen Schemels und jeder Menge Seife.
    Also drehe ich mich um, ohne auch nur Danke zu sagen – dieser Kerl war mir sogar noch weniger Hilfe als der hübsche Tommy Falk –, und dränge mich auf der Suche nach der nächsten Melone durch die Menge, nur um dieselbe Antwort zu bekommen. Alle haben sie nur ein Nein für das Mädchen mit den roten Haaren übrig. Sie denken noch nicht mal darüber nach. Einer runzelt die Stirn, ein anderer lacht und noch einer lässt mich nicht einmal ausreden.
    Inzwischen ist es Mittag und mein Magen knurrt mich erwartungsvoll an. Am Strand wimmelt es von Händlern, die den Reitern ihr Essen anpreisen, aber es ist teuer und riecht nach Blut und altem Fisch. Finn ist nirgends zu sehen. Langsam kriecht die Flut über den Sand und die weniger Mutigen haben den Strand bereits verlassen. Ich löse mich aus der Menge und lehne mich an die Klippe, die Handflächen auf den kühlen Stein gepresst. Ein gutes Stück über meinem Kopf wird der Kalk heller, bis dorthin wird das Wasser in den nächsten paar Stunden ansteigen. Ich stelle mir vor, wie es wäre, dann noch immer hier zu stehen, während das Salzwasser mich langsam verschlingt.
    Tränen des Frusts brennen unter meinen Lidern. Das Schlimmste ist, dass ich in Wahrheit sogar erleichtert bin, dass sie alle abgelehnt haben. Diese grässlichen Monster haben nichts mit Dove gemein und ich kann mir absolut nicht vorstellen, eins davon zu reiten, geschweige denn, es mit nach Hause zu nehmen und es darauf abzurichten, teures, bluttriefendes Fleisch zu fressen und nicht mich. Im Sommer fangen die Kinder hier manchmal Libellen und knoten ihnen Schnüre um den Körper, genau hinter den Augen, um sie dann wie Haustiere an der Leine zu führen. An diese Libellen erinnern mich die Männer hier am Strand mit ihren Capaill Uisce. Die Pferde zerren sie umher, als wögen sie nichts. Was würden sie da erst mit mir anstellen?
    Ich blicke aufs Meer hinaus. In der Nähe der Küste schimmert das Wasser türkis an den Stellen, wo weiße Felsen von den Klippen ins Meer gefallen sind, und schwarz, wo die Steinbrocken von einer Schicht dunkelbraunen Seetangs überzogen sind. Irgendwo jenseits dieser unzähligen Kübel voll Wasser liegen die Städte, an die wir Gabe verlieren werden. Ich weiß, dass wir ihn nie wiedersehen werden. Es spielt keine Rolle, dass er irgendwo anders auf der Welt weiterleben wird; es wird genauso schlimm sein wie damals, als wir Mum und Dad verloren haben.
    Mum hat immer gern gesagt, dass manche Dinge aus einem Grund passieren, dass Hindernisse manchmal dafür da sind, einen von einer Dummheit abzuhalten. Das hat sie sehr oft zu mir gesagt. Aber wenn sie es zu Gabe sagte, fügte mein Vater jedes Mal hinzu, dass Hindernisse manchmal auch einfach ein Zeichen dafür seien, dass man sich mehr Mühe geben muss.
    Ich hole tief Luft und gehe zurück zu dem einzigen Händler, der meinem Blick nicht ausweicht. Der Zwerg. Er hat nur noch ein einziges Pferd übrig: die gescheckte Stute, die so schrecklich geschrien hat.
    »He, du!«, sagt er, als hätte ich bloß an ihm vorbeigehen wollen.
    »Wir sollten uns unterhalten«, erwidere ich. Ich bin müde und schlecht gelaunt. Jeglicher Charme, den ich vielleicht heute Morgen noch besessen habe, ist schon lange auf dem Weg nach Hause, um sich ein großes Sandwich zu machen.
    »Dasselbe hab ich auch gerade gedacht. Bin

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