Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Rot wie das Meer

Titel: Rot wie das Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Stiefvater
Vom Netzwerk:
Peitsche durch die Luft schnellen und diesmal gibt der Schlag ein vernehmliches Knallen von sich. Corr legt den Kopf schräg, wirkt aber eher versöhnlich als übellaunig und trabt zurück zum Hufschlag. Hollys Lächeln ist breit und zufrieden. »Wie lange haben Sie gebraucht, um ihn so hinzukriegen?«
    »Sechs Jahre.«
    »Würden Sie das auch bei den beiden Stuten schaffen, die ich gesehen habe?«
    Die Braune habe ich tatsächlich einmal an die Longe genommen, und wenn es auch nicht unbedingt eine Katastrophe war, hätte ich weder Holly noch irgendjemand anderen an diesem Tag mit mir auf den Platz gelassen. Ich kann nicht sagen, ob sechs Jahre mit den beiden Stuten dasselbe Ergebnis bringen würden wie die sechs Jahre mit Corr. Ich kann nicht sagen, ob es daran liegt, dass er mich besser versteht als die beiden, oder daran, dass ich ihn besser verstehe als sie.
    »Wer hat Ihnen das beigebracht? Malvern sicherlich nicht.« Holly wirft mir einen kurzen Blick zu.
    In diesem winzigen Moment der Unaufmerksamkeit, der Sekunde, die es Holly kostet, mich anzusehen, macht Corr einen Satz auf uns zu. Schnell und geräuschlos.
    Ich warte nicht, bis Holly reagiert. Ich reiße ihm die Peitsche aus der Hand und werfe mich Corr entgegen, presse ihm den Griff fest in die Schulter. Corr bäumt sich auf, um sich der Berührung zu entwinden, aber ich folge ihm. Als er steigt, drücke ich ihm die rote Lederschnur in die Backe, um ihn herauszufordern, mich genauso auf die Probe zu stellen, wie er es bei Holly getan hat.
    Dieses Spiel spielen wir nicht zum ersten Mal und wir beide wissen, wie es ausgehen wird.
    Corrs Hufe senken sich zurück auf den Boden.
    Holly hebt die Augenbrauen. Er gibt mir die Longe zurück und wischt sich die Hände an seiner Hose ab. »Mein erstes Mal am Steuer. Wenigstens hab ich ihn nicht vor einen Baum gesetzt.«
    Er scheint nicht im Mindesten beunruhigt.
    »Willkommen auf Thisby«, erwidere ich.

14
    Puck Als Peg Gratton wieder weg ist, machen Finn und ich uns bereit, nach Skarmouth zu laufen. Ich bin unzufrieden, weil ich damit schon wieder um meinen Auftritt als einsame, stolze Kämpferin auf Dove gebracht werde, aber wir müssen die Teekannen in die Stadt bringen und der Morris springt nicht an. Diese jüngste und bislang erniedrigendste Wendung unseres Schicksals zwingt mich, Dove vor unseren kleinen Karren zu spannen. Die bevorstehende Schmach macht mir schlechte Laune und ich veranstalte beim Aufladen des Tongeschirrs einen höllischen Lärm.
    Plötzlich kommt mir ein Gedanke. »Wie willst du denn den Karren wieder nach Hause bekommen?«, frage ich Finn, der seinen Teil der Kisten auf der Ladefläche in Reih und Glied anordnet, sodass die Kanten perfekt miteinander abschließen. Seine Seite sieht aus wie sorgfältig gemauert, dafür braucht er eine halbe Ewigkeit. Mir ist es egal, ob die größten Kisten oben oder unten stehen, solange sie während der Fahrt nicht hin und her rutschen. »Ich muss mit Dove zum Strand und den Karren nehme ich bestimmt nicht dahin mit.«
    »Dann bringe ich ihn selbst nach Hause«, erwidert Finn fröhlich. Er legt die Handfläche mit gespreizten Fingern an die Seite einer Kiste, um ihre Position um einen halben Millimeter zu korrigieren.
    »Du?«
    »Klar«, sagt Finn. »Dann ist er doch leer.«
    In meinem Kopf formt sich kurz das Bild meines Bruders, der durch die Straßen von Skarmouth schlurft und einen Ponykarren hinter sich herzieht, ein magerer Troll in einem übergroßen Pullover, und ich
    wünschte, ich könnte auch einfach aufs Festland verschwinden, wo mich niemand kennt. Aber wenn ich noch an den Strand will, bevor die Flut kommt, ist das die einzige Möglichkeit. Noch immer hüllt uns Nebel ein, aber er lichtet sich langsam, was mir in Erinnerung ruft, dass wir keine Zeit zu verlieren haben.
    »Vielleicht erlaubt Dory uns ja, dass wir ihn hinter dem Laden stehen lassen«, sage ich. »Ich könnte ihn dann mit Dove abholen kommen, wenn wir fertig sind.«
    Finn kitzelt Dove mit einem Finger am Rumpf und sie stampft mit dem Huf auf, als wäre er eine lästige Fliege. »Dove sagt, sie will keinen Karren mehr ziehen müssen, nachdem du ihr den ganzen Tag Seeungeheuer auf den Hals gehetzt hast«, entgegnet er.
    »Dove sagt, du würdest mit einem Ponykarren hinter dir ziemlich albern aussehen.«
    Er blickt versonnen auf seinen Stapel Kisten auf der Ladefläche und lächelt. »Ist mir egal.«
    »Ja, das merke ich!«, fauche ich.
    Als wir den Karren fertig beladen haben,

Weitere Kostenlose Bücher