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Rot wie das Meer

Titel: Rot wie das Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Stiefvater
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von hinten aussieht wie ein Mann und von vorne so, dass man sie doch lieber wieder von hinten sehen will. Elizabeth ist die hübsche Schwester, mit langem weizenblondem Haar und einer Nase, die von Natur aus und
    aus Gewohnheit immer ein bisschen nach oben weist. Wie die dritte Schwester, Annie, aussieht, interessiert niemanden, denn sie ist blind.
    Ich blättere durch den Katalog. Ich weiß, dass ich eigentlich keine Zeit habe, aber im Moment lasse ich mich sogar ganz gerne aufhalten. »Sind unsere Teekannen auch da drin? Wer bekommt den Katalog denn alles?«
    »Ach, die zwei, drei Leutchen, die vielleicht die Anzeige auf der allerletzten Seite der Abendzeitung lesen«, sagt Elizabeth. Sie ist zwei Stufen weiter hinaufgestiegen, aber immer noch weit entfernt von ihrem Bett. »Die, die es nicht stört, wenn sie ein paar Jahre auf die Lieferung warten müssen.«
    »Abendzeitung? Also Leute auf dem Festland!«, rufe ich begeistert. Ich habe unsere Teekannen gefunden, eine sehr detailgetreue Strichzeichnung einer der bauchigen Kannen mit meinen schlichten Disteln auf der Seite, und jetzt sehe ich, dass die Zeichnungen von derselben Person stammen müssen, die die Werbeanzeigen auf der Rückseite unserer kleinen Skarmouth-Zeitung entwirft, die jeden Mittwoch erscheint. Die Druckschrift darunter informiert den Leser, dass es sich bei der Teekanne um ein repräsentatives Beispiel handelt und sie nur begrenzt auf Lager ist. Außerdem verkündet sie, dass die Stücke signiert und nummeriert sind, was auf meine Teekannen nicht zutrifft. Eine seltsame Vorstellung, dass etwas, was ich gemacht habe, ohne mich die Reise über den Ozean antreten soll. Ich zeige auf den Teil mit dem Signieren und frage: »Was soll das hier?«
    Dory Maud liest die Beschreibung. »Das steigert den Wert. Dauert ja nicht lange, die schnell zu signieren und eine Nummer drauf-zuschreiben. Komm doch rein auf eine Tasse Tee. Elizabeth hört auch auf zu nörgeln. Wo ist denn dein Bruder?«
    »Ich kann leider nicht bleiben«, erwidere ich bedauernd. »Ich muss mit Dove ... runterzumstrand. Kann Finn vielleicht den Karren eine Weile hinter dem Laden stehen lassen, wenn er mit dem Entladen fertig ist?« Ich rattere die Worte nur so herunter, damit niemand auf die Idee kommt nachzuhaken, aber die Schwestern sind sowieso abgelenkt, also ist meine Sorge unbegründet. Dory Maud hat die Tür aufgemacht und draußen steht Finn mit Puffin auf dem Arm, die uns tatsächlich den ganzen Weg bis nach Skarmouth gefolgt ist.
    »Ich hoffe, die Armut schmeckt dir«, giftet Elizabeth ihre Schwester an. »Allein diese Werbeanzeige war ja schon teuer genug, aber hast du eine Ahnung, was es erst kosten wird, den Hausfrauen vom Festland die Kataloge zu schicken?«
    Dory Maud entgegnet: »Sie bezahlen ja für den Katalog. Steht alles in der Anzeige, die ich dir vor nicht mal einer Stunde gezeigt habe. Wenn du keine Tomaten auf den Augen hast, solltest du das eigentlich gelesen haben. Finn Connolly, los, komm rein. Warum hast du eine Katze dabei? Ist die auch zu verkaufen? Ist es schon so weit gekommen?«
    »Nein, nein«, erwidert Finn und betritt den Laden, wo er wie zur Begrüßung von der Fruchtbarkeitsgöttin in die Brust gepikst wird. Ich mache ein bisschen Platz, damit er von ihr loskommt, denn das Letzte, was ich jetzt gebrauchen kann, ist, dass Finn plötzlich die Freuden der Fruchtbarkeit für sich entdeckt.
    »Ich muss jetzt wirklich gehen«, sage ich. Ich will nicht unhöflich erscheinen.
    »Wo musst du noch mal hin?«, fragt Dory Maud.
    »Vielleicht sollte ich auch mal Mr Davidge anrufen«, schlägt Elizabeth auf der Treppe vor. »Dann muss ich mich vielleicht auch nicht um die Rechnungen kümmern. Wie funktioniert das genau, Schwesterherz? ›Mr Davidge, drucken Sie's mir!‹«
    Dory Maud fährt zu ihr herum und schimpft liebevoll: »Halt den Mund, du dumme Kuh!«
    Finn macht wieder mal große Augen. Genau wie Puffin. Dory Maud schnappt ihn sich beim Arm und schiebt ihn in den hinteren Teil des Ladens, wo schon der Tee wartet.
    »Bis später«, flüstere ich ihm zu. Ich habe ein schlechtes Gewissen,
    ihn hier einfach mit ihnen allein zu lassen, aber immerhin springen dabei ein paar Tassen Tee für ihn heraus.
    Ich lasse die Tür hinter mir zufallen.
    Dove, die geduldig an der Tür wartet, hebt den Kopf, als ich herauskomme. Finn hat sie vom Karren losgemacht, aber sie trägt immer noch das Geschirr. Wie ein Rennpferd sieht sie nicht gerade aus.
    Ich binde mir die Haare

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