Rot wie das Meer
Möglichkeit geträumt hat. Von der Möglichkeit, die Pferde, die meine Eltern getötet haben, auf dem Pony, mit dem ich aufgewachsen bin, zu schlagen. Ich muss tatsächlich der größte Dummkopf der Insel sein.
»Es sind persönliche Gründe«, sage ich steif. Die Antwort, zu der mir meine Mutter immer geraten hat, wenn es um Streit mit meinen Brüdern, jede Art von Darmkrankheiten, meine Periode und Geld ging. Bei meiner Entscheidung, das Rennen zu reiten, spielen gleich zwei dieser Faktoren eine Rolle, darum finde ich die Antwort ziemlich angemessen.
Peg mustert mich und ich weiß, dass sie versucht, zwischen den Zeilen zu lesen. Schließlich sagt sie: »Ich glaube, du weißt gar nicht, worauf du dich einlässt. Das ist ein Gemetzel da unten.«
Ich zucke mit den Schultern, wodurch ich mich fühle wie Finn und mir wünsche, ich hätte es nicht getan.
»Du könntest sterben.«
Mir ist klar, dass sie ihre Taktik geändert hat und nun versucht, mir Angst zu machen. Dafür jedoch hätte sie sich kein schlechteres Argument aussuchen können.
»Ich muss es tun.«
Ausgerechnet in diesem Moment beschließt Dove, endlich aus ihrem Unterstand hervorzutrotten, und sie wirkt schmutzig, klein und passt wunderbar in dieses armselige Bild. Sie kommt an den Zaun und versucht, an ihrem Sattel zu knabbern. Ich werfe ihr einen bösen Blick zu. Sie ist muskulös und gut in Form, aber gegen die Capaill Uisce, die ich gestern gesehen habe, wirkt sie eher wie ein Spielzeugpferd.
Peg seufzt und nickt, aber die Geste ist nicht für mich bestimmt. Es wirkt eher, als wollte sie sagen: Na ja, ich hab's versucht. Sie stapft zurück durch den Matsch und klopft ihre Stiefel an der Kante der Wagentür ab, um nicht so viel Dreck in das schöne rote Auto zu tragen. Ich streichele Doves Nase und fühle mich schlecht, weil ich die resolute Peg Gratton enttäuscht habe.
Dann höre ich meinen Namen und sehe, dass Pfarrer Mooneyham sein Fenster heruntergekurbelt hat. Dass Peg den Pfarrer davon überzeugt hat, meine Absicht, das Rennen zu reiten, sei eine spirituelle Angelegenheit, kann ich mir nicht vorstellen, und so mache ich mich eher widerstrebend auf den Weg zum Beifahrerfenster.
»Kate Connolly«, ruft Pfarrer Mooneyham. Er ist ein großer, dürrer Mann, mit Höckern anstelle von Kinn, Wangenknochen und Nase. Jeder davon ist jetzt leicht gerötet. Auch sein Kehlkopf ist ein Höcker, den ich nur ein einziges Mal zu Gesicht bekommen habe, als ihm einmal nach einem Sturz vom Fahrrad sein Kragen verrutscht ist. Der war nicht gerötet.
»Herr Pfarrer«, sage ich.
Er blickt mich an und zeichnet mit dem Daumen ein kleines Kreuz
auf meine Stirn, so wie er es getan hat, als ich noch klein war und noch nicht gelernt hatte, dass man in einer Kirche nicht auf den Boden spuckt. »Komm zur Beichte. Es ist lange her.«
Peg und ich warten, dass er noch etwas sagt. Stattdessen kurbelt er bloß sein Fenster wieder hoch und bedeutet Peg, rückwärts vom Hof zu fahren. In dem Moment sehe ich Finn am Schlafzimmerfenster, das Gesicht gegen die Scheibe gepresst, während er versucht, einen Blick auf das schnittige Auto zu werfen, das sich nun entfernt.
13
Sean Ich stehe in einem der Longierzirkel des Malvern-Hofs, neben mir ein Amerikaner, und wir beobachten Corr, der um uns herum trabt. Es ist ein fahlblauer Morgen von der Sorte, der man erst noch ein bisschen Zeit geben muss, damit sie als freundlich durchgeht. Eigentlich hatte ich vor, ihn am Strand zu verbringen, bevor alle anderen da sind, aber Malvern hat mich abgefangen und mir den Kunden aufs Auge gedrückt, bevor ich etwas sagen konnte. Ich glaube nicht, dass es eine gute Idee gewesen wäre, einen Fremden mit an den Strand zu nehmen, also habe ich beschlossen, Corr zu longie-ren, bis mein Besucher sich zu langweilen anfängt. Die Regel, dass man mit den Capaill ausschließlich am Strand trainieren darf, gilt nur, wenn sie geritten werden, meine bevorzugte Art des Trainings. Ein Reitplatz kann einen nicht im Mindesten auf das vorbereiten, was einen am Strand erwartet.
Corr läuft jetzt schon seit zwanzig Minuten im Kreis. Der Amerikaner ist begeistert und voller Ehrfurcht – mehr vor mir als vor Corr, wie es mir scheint. Unsere unterschiedlichen Akzente sorgen dafür, dass wir ziemlich befangen miteinander umgehen.
»Bemerkenswert, diese Konstruktion. Wurde dieser Platz eigens für die Capaill Uisce gebaut?«, will er wissen. Er zögert bei den ungewohnten Wörtern, aber die Aussprache ist
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