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Rot wie das Meer

Titel: Rot wie das Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Stiefvater
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richtig. Kappl Ischke.
    Ich nicke. Auf der anderen Seite der Ställe befindet sich ein weiterer Longierzirkel, auf dem ich die Sportpferde ausbilde, fünfzehn Meter Durchmesser mit einem Zaun aus Leichtmetallstreben. Corr würde es in der Nähe von so viel Metall nicht lange aushalten, und selbst
    wenn, würde niemand ein Capaill Uisce hinter einer Umzäunung laufen lassen, die aussieht, als könnte der kleinste Windstoß sie umpusten. Stattdessen stehen wir also auf diesem wunderbar zweckdienlichen Platz, den Malvern, einige Zeit bevor ich bei ihm angefangen habe, konzipiert hat. Er ist anderthalb Meter tief in den Hang eines Hügels gegraben, sodass die Erde selbst eine solide Begrenzung bildet. Der einzige Zugang führt über einen Pfad zwischen hohen Erdwällen hindurch, der an einem Eichenholztor in der Wand des Platzes endet. Mir gefällt es hier, solange nicht bei Regen alles unter Wasser steht.
    »Capaill Uisce? Capaill Uisce?« Der Amerikaner zieht die Stirn kraus, nun verunsichert ihn der Name doch.
    »Capaill ist die Mehrzahl. Capaill die Einzahl.«
    »Verstehe. Hier weiß man nie so richtig, ob es gerade regnet oder nicht, was?«, fragt der Amerikaner. Er ist sehr gut aussehend, etwa Ende dreißig und trägt eine marineblaue Schiebermütze, einen weißen Pullover mit V-Ausschnitt und eine Hose, die ihr frisch gebügeltes Aussehen bei dieser feuchten Luft nicht lange behalten wird. Der Himmel spuckt auf uns herab, aber es ist kein echter Regen. Bis ich mich zusammen mit allen anderen auf den Weg zum Strand mache, hat es sicher aufgehört. »Wie lange lassen Sie ihn noch traben?«
    Corr ist schon ziemlich schlecht gelaunt wegen der Gangart. Mein Vater hat einmal gesagt, Wasserpferde seien nicht zum Traben geboren. Alle Pferde beherrschen von Natur aus drei Gangarten – Schritt, Trab, Galopp – und es gibt keinen Grund, warum sie eine den anderen vorziehen sollten. Corr aber würde lieber galoppieren, bis er so schaumbedeckt ist wie das Meer, als auch nur die Hälfte der Strecke zu traben. Meine Mutter hat einmal gesagt, ich sei ebenfalls nicht zum Traben geboren, und auch sie hat recht. Der Trab ist zu langsam, um aufregend zu sein, aber man wird zu sehr durchgerüttelt, als dass es bequem wäre. Gerade bin ich ziemlich froh, nicht auf Corrs Rücken sitzen zu müssen, während er trabt.
    Allerdings scheint er sich sehr dessen bewusst zu sein, dass er von
    einem Fremden beobachtet wird, denn er hebt die Hufe besonders hoch und schüttelt die Mähne etwas wilder als sonst. Ich gönne ihm seine kleine Inszenierung. Ein Pferd kann schlimmere Fehler haben als Eitelkeit.
    Der Amerikaner sieht mich noch immer an, also antworte ich: »Er soll sich ein bisschen abreagieren. Am Strand wird heute wieder jede Menge los sein und ich will nicht mit drei frischen Pferden da unten ankommen.«
    »Er ist eine richtige Schönheit«, bemerkt der Amerikaner. Das Kompliment für Corr soll mir schmeicheln und ich nehme es gern an. Dann fügt er hinzu: »Ihrem Lächeln nach zu urteilen, wissen Sie das schon.«
    Mir war nicht bewusst, dass ich gelächelt habe, aber ich wusste es tatsächlich schon.
    »Ich bin übrigens George Holly«, sagt der Amerikaner. »Ich würde Ihnen die Hand schütteln, wenn Sie eine frei hätten.«
    »Sean Kendrick.«
    »Ich weiß. Ihretwegen bin ich hier. Es heißt, ein Rennen ohne Sie wäre kein richtiges Rennen.«
    Mein Mund zuckt. »Malvern hat erwähnt, dass Sie sich für ein paar der Jährlinge interessieren.«
    »Nun ja, das ist der andere Grund, aus dem ich hier bin.« Holly wischt sich den Sprühregen aus den Augenbrauen. »Aber dafür hätte ich auch meinen Agenten schicken können. Wie oft haben Sie schon gewonnen?«
    »Viermal.«
    »Viermal! Dann sind Sie wohl der große Favorit. Der Lokalmatador. Oder besser gesagt, Insel matador. Ist Thisby eigentlich autonom? Warum reiten Sie nicht mal ein Rennen auf dem Festland? Oder vielleicht haben Sie das schon und ich habe es nur nicht mitbekommen. Neuigkeiten von hier brauchen lange, bis sie uns erreichen, wissen Sie.«
    George Holly kann es nicht wissen, aber ich bin ein einziges Mal
    mit meinem Vater bei einem Rennen auf dem Festland gewesen. Alles, woran ich mich erinnere, ist eine Collage aus schicken Anzügen und Schiebermützen, Melonen und Gehstöcken, Pferden mit Wassertrensen, Jockeys in Seidenjacken, einer weiß umzäunten Rennbahn und Ehefrauen, die aussahen wie Püppchen. Zu beiden Seiten der Tribünen erstreckte sich eine malerische

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