Rot wie das Meer
herum, immer auf der Suche nach dem einen Pferd, das ihren Ställen auf dem Festland Ruhm bescheren wird, und sei es auch nur für ein Jahr. Ich habe zu viel zu tun, in zu wenigen Stunden, bevor der frühe Oktoberabend anbricht. Ich habe keine Zeit für so ein idiotisches Rennen, ein Capaill Uisce gegen ein Pony, das nicht mal groß genug ist, um Corr in die Augen sehen zu können.
»Das würde nicht länger dauern, als wenn ich sie reite«, argumentiert Kate. »Das heißt, wenn du ablehnst, dann nur, weil es unter deiner Würde ist.«
Und so reiten wir das Rennen.
Ich hole die Stute und lasse Corr mit einem Klumpen Rinderherz aus meiner Satteltasche an ihrem Platz zurück. Als ich wieder bei Kate anlange, stellt sie gerade vom Rücken ihres Ponys aus ihre Steigbügel ein, das Bein quer über den Sattel gelegt. So etwas kann man nur auf einem Pferd machen, dem man voll und ganz vertraut, und ich bin nicht sicher, ob ich es auf dem Rücken eines Capaill Uisce jemals wagen würde.
Unter mir zappelt die braune Stute nervös hin und her. Sie ist genauso schwer zu kontrollieren wie die Gescheckte, aber nicht ganz so bösartig. Bei ihr hat man größere Chancen, ertränkt als gefressen zu werden.
»Bist du bereit?«, fragt Kate mich, obwohl ich der Meinung bin, dass eigentlich ich es sein sollte, der diese Frage stellt. Ich glaube nicht, dass sie auch nur das leiseste Interesse an dem Pferd hat, auf dem ich sitze. »Bis zu dem großen Felsen da vorne?«
Ich nicke.
Ich versuche mir einzureden, dass das Ganze hier vielleicht gar kein vollkommen sinnloses Unterfangen ist. Falls ich die Stute dazu bekomme, in diesen fünf Minuten einigermaßen gerade und kontrolliert zu laufen, könnte ich das, was ich Malvern gesagt habe, noch einmal überdenken. Der Gedanke, ein Pferd, in das ich Zeit investiert habe – und in ihrem Fall war das ziemlich viel Zeit –, wieder freizulassen, gefällt mir gar nicht. Vielleicht habe ich mich ja geirrt und sie könnte bis nächstes Jahr tatsächlich Fortschritte machen. Selbst Corr hat Jahre gebraucht, um sich einzugewöhnen.
»Worauf warten wir?«, fragt Kate und treibt ihr Pony an. Die braune Stute, ganz das Raubtier, ist ihnen im Nu auf den Fersen und ich lasse sie gewähren, bis wir zu den beiden aufgeholt haben. Kate umklammert eine Handvoll von Doves Mähne und zuerst denke ich, sie hält sich daran fest, bis mir klar wird, dass sie so die Strähnen daran hindert, ihr ins Gesicht und gegen die Hände zu peitschen. Darüber brauche ich mir bei der braunen Stute keine Gedanken zu machen;
sie hat sich einen Großteil ihrer Mähne am Türrahmen ihrer Box abgescheuert, vor lauter Sehnsucht nach dem Meer.
Die beiden Pferde galoppieren über die mit Gras bewachsene Klippe und bewegen sich geschickt in diesem unebenen Gelände.
Die braune Stute gibt sich nicht besonders viel Mühe. Ich treibe sie an, damit sie ein bisschen schneller wird, Dove abhängt und das Rennen rasch zu Ende bringt. Aber die Stute drängt gegen meinen Schenkel, statt den Vorwärtsimpuls anzunehmen. Sie driftet auf den Rand der Klippe zu, bis sie sich schließlich mehr seitwärts als geradeaus bewegt.
Im Gegensatz zu dem Inselpony, das natürlich schnurstracks und zielstrebig vor uns hergaloppiert.
Es kostet mich ein paar lange Minuten, bis ich die Stute wieder unter Kontrolle habe, doch als sie sich einmal für das Laufen entschieden hat, holt sie mühelos auf. Kates Pony galoppiert vergnügt weiter. Seine Ohren sind aufgestellt vor Freude über das Rennen und sein Schweif peitscht hin und her, während es in seiner Aufregung immer wieder kleine Bocksprünge vollführt. Wenn meine Stute unkonzentriert ist, dann ist sie nicht die Einzige.
Kate wirft mir einen Blick zu und ich treibe meine Stute noch mehr an. Ich flüstere ihr etwas zu, damit sie schneller wird, und sie hört auf mich und holt noch mehr aus. Die Ponystute hat keine Chance.
Über dem Brausen des Windes höre ich ein Klatschen, und als ich einen Blick über die Schulter werfe, sehe ich gerade noch, dass Kate hinter sich gegriffen und ihrer Stute mit der flachen Hand einen deftigen Klaps auf das Hinterteil gegeben hat. Das hat ihr Pony zur Vernunft gebracht und Dove jagt nur so dahin, gibt jetzt alles.
Aber es reicht nicht. Mein Capaill Uisce ist schneller, als ein Inselpony es sich auch nur erträumen könnte, und unser Vorsprung wächst. Bis wir den Zielfelsen erreichen, werden wir einen Abstand von dreißig Pferdelängen haben.
Die Stute
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