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Rot wie das Meer

Titel: Rot wie das Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Stiefvater
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strauchelt, aber sie kommt nicht aus dem Tritt. Meine Arme sind voller Schlammspritzer. Ich werfe einen Blick unter meinem Arm hindurch, um zu sehen, wo Kate ist. Sie und ihr Pony sind weit, weit hinter uns. Dieses Rennen macht keinen Spaß. Nicht wenn der Sieg so mühelos ist. Und schon gar nicht, wenn er dem Pferd völlig gleichgültig ist.
    In dem Moment weht der Wind den Geruch des Meeres zu uns herüber. Die Stute wird langsamer und windet sich unter mir, sie reißt den Kopf nach oben, die Nüstern gebläht. Ich flüstere ihr ins Ohr und zeichne Buchstaben auf ihre Schulter, aber sie will sich nicht beruhigen.
    Sie will zum Rand der Klippe. Der Geruch des Ozeans liegt schwer in der Luft und raubt ihr die Sinne. Ich krame mein Eisen aus der Tasche, streiche damit über ihre Adern, aber – nichts. Sie bäumt sich auf und ihre Vorderbeine schnellen durch die Luft, und als auch das mich nicht von ihrem Rücken befördert, beschließt sie, mich mitzunehmen. Ihre Haut fühlt sich dort, wo mein Bein sie berührt, heiß und aufgeladen an. Ich kann nichts tun, um sie von ihrem Vorhaben abzubringen.
    Vor uns sehe ich Klippengras, dann noch mehr Klippengras und dahinter nur noch Himmel. Ich versuche, sie an einem Zügel herumzureißen, was schon bei einem normalen Pferd eine gefährliche Art ist, es zum Anhalten zu zwingen, weil es dann leicht stürzen und einen unter sich begraben könnte, aber die braune Stute stört sich nicht daran. Sie hat die Trense fest im Maul und die See in den Nüstern.
    Noch zehn Meter bis zur Klippe.
    Ein halber Herzschlag Zeit, um meine Entscheidung zu treffen.
    Ich stürze mich von ihrem Rücken, komme mit der Schulter hart auf dem Boden auf und rolle mich ab, um den Aufprall abzumildern. Ich sehe kastanienbraunes Gras, blauen Himmel, dann wieder kastanienbraunes Gras. Ich stemme mich auf die Ellbogen hoch und sehe gerade noch, wie die Stute ihre Muskeln anspannt und springt.
    So nah es geht, krieche ich an den Rand der Klippe. Ich bin nicht sicher, ob ich den Anblick ertrage, wenn ihr Körper auf den Felsen zerschmettert, aber ich kann auch nicht nicht hinsehen.
    Die Stute wirkt völlig furchtlos, während sie durch die Luft segelt, als wäre das alles nichts weiter als ein kleiner Sprung über eine Hürde. Sie sieht schon jetzt nicht mehr ganz wie ein Pferd aus, ihr Körper stromlinienförmig.
    Ich kann nicht hinsehen.
    Ich höre ein schreckliches Krachen. Sie verschwindet in den Wellen und das Letzte, was ich von ihr sehe, ist ihr Schweif.
    Ich seufze und vergrabe die Hände in den Taschen. Ob sie überlebt hat oder nicht, weiß ich nicht. Mein Sattel ist so oder so weg. Ich bin froh, dass es nicht der Sattel meines Vaters war, der zu Hause im Stall liegt, aber teuer war er trotzdem; ich habe ihn vor zwei Jahren für mich anfertigen lassen, ein seltener Luxus. Ich fluche nicht, obwohl ich das Wort schon auf der Zunge spüre.
    Heißer Atem trifft meine Schulter. Es ist Dove und auf ihrer anderen Seite steht Kate, deren Haar sich fast komplett aus ihrem Zopf gelöst hat. Dove ist außer Atem, aber nicht so sehr, wie ich erwartet hatte.
    Kate sieht über die Klippe, zieht einen Moment lang die Augenbrauen zusammen und streckt dann den Zeigefinger aus.
    Ich folge ihrem Blick zu einem dunkel glänzenden Rücken, der ins Meer hinausschwimmt. Mein Mund zuckt. »Sieht aus, als hättest du gewonnen, Kate Connolly.«
    Sie tätschelt Dove die Schulter und sagt: »Nenn mich Puck.«

27
    Sean Als ich auf den Hof zurückkomme, herrscht dort heilloses Chaos. Die Hälfte der Pferde ist nicht pünktlich zum Training aus den Boxen geholt worden. Auf dem Paddock neben dem Stall steht Mettle und kaut und saugt genüsslich an der obersten Zaunlatte. Edana war überhaupt nicht draußen und von Mutt fehlt jede Spur. Wenn er glaubt, Corr und mich dieses Jahr beim Rennen herausfordern zu können, ist das wohl kaum der richtige Weg.
    Die ganze Zeit über habe ich das Gefühl, etwas vergessen zu haben, bis mir bewusst wird, dass ich den Hof mit zwei Pferden verlassen habe, aber nur mit einem zurückgekehrt bin. Ich habe kein Pferd abzuzäumen, keinen Sattel zu verstauen.
    George Holly fängt mich ab, als ich, nachdem ich die Capaill Uisce gefüttert habe, gerade wieder den Hof betrete, in der Hand einen blutbeschmierten Eimer. Er hat eine leuchtend rote Schiebermütze auf dem Kopf, die sein Haar bändigt, und ein aufgeräumtes Lächeln im Gesicht.
    »Hallo, Mr Kendrick«, grüßt er mich fröhlich und läuft neben

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