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Rot wie das Meer

Titel: Rot wie das Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Stiefvater
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überhaupt hin? Ich muss morgen früh aufstehen.«
    »Weil du deine Anmeldung offiziell machen musst«, stöhnt Finn. »Steht zumindest so auf deinem Regelblatt.«
    Natürlich hat er recht. Ich komme mir blöd vor, weil ich nicht mehr daran gedacht habe, im nächsten Moment aber dreht sich mir der Magen um. Das letzte Mal lagen zwischen mir und den Leuten, die etwas dagegen haben könnten, dass ich bei dem Rennen mitreite, wenigstens ein paar Meter Meerwasser. Heute Abend werden es nur ein paar Liter Bier sein.
    Aber es führt kein Weg daran vorbei. Und vielleicht, nur ganz vielleicht, ist Gabe ja dort. Zumindest der Rest der Insel wird es sein.
    Bereitwillig lasse ich den Abwasch stehen, um dann, schon viel weniger bereitwillig, meinen schäbigen grünen Mantel und meine Mütze zu suchen, während Finn bereits die Tür aufreißt. Jetzt, da ich weiß, was er vorhat, sehe ich, dass er vor Aufregung kaum an sich halten kann. Finn wirkt eigentlich nie aufgeregt – er wird nur schneller. Ein Finn ist nun mal eher ein behäbiges Geschöpf.
    Der Morris erscheint nicht besonders vertrauenerweckend unter dem rosafarbenen, langsam dunkler werdenden Himmel, aber Finns Gesicht hinter der Windschutzscheibe ist wie ein Leuchtfeuer, während er auf dem Fahrersitz auf mich wartet. Wieder sehe ich ihn mit Dory Mauds gruseliger Maske vor mir und wünsche mir, er könnte wieder so glücklich sein wie damals, mit tagelang klebrigen Fingern.
    »Warte«, sage ich, renne noch einmal ins Haus und klaube etwas Kleingeld aus unserem stetig schrumpfenden Vorrat in der Keksdose. Ich werde schon einen Weg finden, es zurückzuverdienen. Und wenn wir uns die ganze Woche von nichts als Novemberkuchen ernähren. Ich laufe wieder zum Auto und steige ein. An der Stelle, wo Finn den Sitz repariert hat, bohrt sich eine Sprungfeder in meinen Oberschenkel. »Und du bist sicher, dass die Kiste auch nicht wieder schlappmacht? Ich bin nicht so wild drauf, mitten zwischen den Feldern liegen zu bleiben und darauf zu warten, dass ein Pferd zum Fenster reinguckt.«
    »Mach nur nicht die Heizung an«, warnt Finn.
    Ich will gar nicht wissen, wie er den Wagen zum Laufen gebracht hat. Beim letzten Mal waren dafür zwei Männer nötig, die neben ihm
    herrennen und schieben mussten, während Finn lenkte. Als wir über die Straßen rumpeln, sagt er: »Ich wette, Gabe ist auch da. Ich wette, er ist bei dem Fest.«
    Bei dieser Vorstellung fangen meine Nerven sogar noch mehr an zu flattern, denn der Gedanke, dass ich Gabe wegen Malverns angedrohter Zwangsräumung zur Rede stellen muss, nagt schon seit Tagen an mir. Wenn er bei dem Fest ist, wird er mir nicht ausweichen können.
    »Hey ho!«
    Zuerst denke ich, das sei Finn gewesen, obwohl es nicht seine Stimme war und ich auch nicht glaube, dass Finn je in seinem Leben »Hey ho!« gesagt hat. Dann sehe ich die Carroll-Brüder. Sie stapfen wie zwei Trottellummen in der Dämmerung am Straßenrand entlang und Jonathan ist es, der gerufen hat.
    Finn bringt den Morris schlingernd zum Stehen. Ich kurbele das Fenster herunter.
    »Nehmt ihr uns mit in die Stadt?«
    Statt einer Antwort zieht Finn die Handbremse an. Ich bin ein bisschen verblüfft über seine Souveränität. Ich hätte die Carrolls natürlich auch mitgenommen, aber Finn ist in meiner Vorstellung zu schüchtern für so was. Kaum drehe ich ihm einmal den Rücken zu, wird er erwachsen.
    Ich muss aussteigen, um die zwei ins Auto zu lassen. Jonathan klettert als Erster hinein und tritt von hinten gegen Finns Sitz. Finn nickt freundlich in den Rückspiegel. Brian sagt Danke zu mir. Ob nun dafür, dass wir sie mitnehmen, oder weil ich ausgestiegen bin, um sie reinzulassen, weiß ich nicht. Das Auto fühlt sich gerammelt voll an, so als wären gerade fünf weitere Leute eingestiegen und nicht nur zwei.
    Als wir weiterfahren, beugt Jonathan sich vor und umfasst die Seiten des Fahrersitzes, um zu fragen: »Wisst ihr, wann sie das Feuer anzünden?«
    »Keine Ahnung«, erwidert Finn.
    Ich zucke zusammen, als eine Hand nach meiner Rückenlehne
    greift. Ein fischiger Geruch weht zu mir herüber. »Hallo, Kate«, höre ich.
    Ich werfe einen Blick über die Schulter auf die Hand; es ist eine schöne, kräftige Hand, auch wenn sie nach Fisch riecht. »Hallo.«
    Jonathan rüttelt an Finns Sitz. »Ich glaube, ich darf dieses Jahr wetten. Weißt du, ob es sechzehn oder siebzehn ist? Das Alter, ab dem man wetten darf?«
    »Keine Ahnung«, sagt Finn.
    »Mann«, verkündet Jonathan

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