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Rot wie Schnee

Rot wie Schnee

Titel: Rot wie Schnee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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Lautsprecher. Als er kein Mikrofon sehen konnte, sprach er einfach ins Blaue, brachte sein Anliegen auf Englisch vor, und danach knackte es in der Tür. Sie gab nach, und er war drinnen.
    »Sprichst du Schwedisch?«
    Manuel sah den jungen Mann hinter dem Schalter fragend an. Er ähnelte Javier zu Hause im Dorf, dunkel, mit freundlichen Augen und einem Pferdeschwanz.
    »English?«
    Manuel nickte. Der Mann betrachtete ihn eingehend. Dann erklärte er ihm, um jemanden in der Anstalt zu besuchen, brauche er eine Bescheinigung aus seinem Heimatland, dass er nicht vorbestraft sei. Man könne nicht einfach auftauchen und glauben, man hätte Zutritt zu einem Gefängnis.
    Manuel erklärte, er habe an seinen Bruder geschrieben, und der habe mit der Anstaltsleitung gesprochen und ihm daraufhin geschrieben, alles sei in Ordnung.
    |29| »Bist du Patricios Bruder?«
    Manuel nickte. Er war dankbar, dass jemand den Namen seines Bruders nannte. Patricio war also nicht nur eine Nummer, einer unter Hunderten von Gefangenen.
    »Das ist kein normales Ziel für Touristen«, sagte der Mann hinter dem Schreibtisch verbindlich. Ganz offenkundig wollte er Manuel beruhigen. Während er von den Regeln berichtete, die für die Anstalt galten, sah er Manuel prüfend an.
    Er war gar nicht abweisend, im Gegenteil. Manuel fand ihn freundlich, und ein wenig ließ seine Spannung nach. Trotzdem lief ihm der Schweiß den Rücken hinunter.
    Schon bald würde er Patricio treffen. Das erschien ihm fast unwirklich. Hinter ihm lagen so viele unruhige Nächte voller Fragen. Wie mochte es dem Bruder gehen? Wie mochte das fremde Land sein, in dem Patricio im Gefängnis war?
    Als er den Mietwagen vor dem Gefängnis geparkt hatte, verließ ihn beinahe der Mut. Wenn man ihn nun verhaften würde. Er wusste so wenig von Schweden. Vielleicht betrachtete man ihn als eine Art Mitschuldigen?
    »Da kannst du deine Wertsachen einschließen«, sagte der Mann und deutete auf einen grün gestrichenen Schrank. Manuel wählte das Fach mit der Nummer neun, seiner Glückszahl, und legte Brieftasche und Pass hinein. Der Gefängniswärter bat um Manuels Tasche.
    »Dein Bruder studiert Schwedisch«, sagte er und leerte den Inhalt der Tasche auf den Tisch aus. »Das klappt ziemlich gut. Sein Verhalten ist gut. Wenn alle wie Patricio wären, gäbe es keine Probleme.«
    »No problemos«, sagte er und lächelte. »Sind das Geschenke?«
    Manuel nickte. Dass sein Bruder Schwedisch lernte, überraschte ihn sehr. Irgendwie kam es ihm verkehrt vor.
    »Was ist das? Ein Geschenk?«
    »Das ist eine Vase«, sagte Manuel, »von unserer Mutter.«
    |30| »Patricio kann sie nicht sofort bekommen. Wir müssen sie erst überprüfen.«
    Manuel nickte, erstaunt, dass ein Gegenstand aus Keramik so genau untersucht werden musste.
    »Wenn du wüsstest, wie viele Vasen wir hier schon bekommen haben, die sich prima als Haschpfeifen eignen«, sagte der Beamte, als könnte er Manuels Gedanken lesen.
    Auf einmal erschien im Korridor vor dem kleinen Ankunftsraum ein Hund.
    Manuel erhob sich von seinem Stuhl.
    »Hallo, Charlie«, sagte der Beamte, »wie sieht’s aus?«
    Der Hund winselte und wedelte mit dem Schwanz. Manuel tat einen Schritt rückwärts und starrte auf den Labrador, der jetzt den Kopf durch den Metalldetektor an der Tür steckte und Manuel aus beruflichem Interesse zu betrachten schien.
    »Hast du Angst vor Hunden?«, fragte ihn der Hundeführer.
    Manuel nickte.
    »Habt ihr in Mexiko keine Hunde?«
    »Polizeihunde sind nicht freundlich«, sagte Manuel.
    »Das hier ist kein Polizeihund. Das ist Charlie. Wir müssen ihn an dir schnuppern lassen.«
    »Warum denn?«
    Der Hundeführer schaute in den Raum und betrachtete Manuel.
    »Drogas«, sagte er grinsend.
    »No tengo drogas«
, rief Manuel erregt. Schreckensstarr sah er den Labrador näher kommen.
    Der Hund schnupperte an seinen Schuhen und seinen Hosenbeinen. Manuel zitterte, und der Schweiß stand ihm auf der Stirn. Er dachte an die Demonstration in Oaxaca, wo einige Schäferhunde die Menschenmenge angegriffen und blindlings zugebissen hatten.
    »Du scheinst clean zu sein«, sagte der Hundeführer und |31| rief Charlie, der inzwischen jedes Interesse an Manuel verloren hatte.
    Manuel wurde in einen Besuchsraum geführt. Die Einrichtung bestand aus einer mit rotem Plastik überzogenen Pritsche und ein paar Stühlen. In einer Ecke gab es ein Waschbecken. Er setzte sich und wartete. Die Sonne schien durch das vergitterte Fenster. Über der Mauer

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