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Rot wie Schnee

Rot wie Schnee

Titel: Rot wie Schnee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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an.
    »Begreifst du denn nicht? Die Polizei fahndet auch nach dir!«
    »Hast du mit der Polizei geredet?«
    »Ich habe nichts gesagt, aber die wissen doch, dass du in Schweden bist. In der Zeitung stand, dass du zur mexikanischen Drogenmafia gehörst und nach Schweden gekommen bist, um   … In Arlanda wird es von Polizisten nur so wimmeln.«
    »Polizisten in Arlanda?«, wiederholte er.
    Eva nickte.
    |399| »Ich muss gehen«, sagte er.
    »Armas. Warst du das, der   …«
    »Er wollte mich erschießen«, sagte Manuel. »Ich habe mich verteidigt. Glaub mir! Ich bin kein schlechter Mensch.«
    Das Weiße in ihren Augen leuchtete im Dunkel, als sie ihn ansah. Manuel kam es so vor, als überlegte sie, was sie glauben sollte.
    »Vielleicht musst du jetzt gehen«, sagte sie schließlich.
    »Im Strumpf liegt ein Zettel mit meiner Adresse. Die Telefonnummer ist die von einem Nachbarn. Er ist nett und spricht etwas Englisch.«
    Eva lachte unerwartet auf.
    »Der Nachbar ist nett«, sagte sie.
    Manuel streckte die Hand aus und berührte ihre Wange. Sie zuckte zusammen, wandte sich aber nicht ab. Manuel beugte sich vor und küsste sie hastig auf den Mund, dann ging er. Wie eine Katze, dachte Eva, als er blitzschnell vom Hof verschwand.
     
    Manuel hatte das Auto in der Gasse hinter einem Container geparkt. Er war so bewegt, dass er am ganzen Leib zitterte und kaum den Schlüssel ins Zündschloss stecken konnte. Er atmete tief durch die Nase ein, um ihren Duft ein letztes Mal zu erleben.
    Trotzdem fuhr er ganz ruhig auf die Hauptstraße, vorbei am »Dakar« und aus der Stadt hinaus. Er fand sich gut zurecht. Den ganzen Nachmittag hatte er die Karte studiert und sich den Weg eingeprägt. Der Verkehr war gering, und nach wenigen Minuten fuhr er auf der 272 nach Nordwesten.
    Er fühlte sich erleichtert, obwohl Eva das von der Polizei gesagt hatte. Es war ihm gelungen, zum »Dakar« und zurück zu kommen. Er hatte Glück gehabt, dass Eva arbeitete, und vor allem war er glücklich, dass sie mit ihm geredet hatte.
    |400| Als er das Haus im Wald wieder erreichte, war es fast Mitternacht. Er stellte den Wagen in die Garage. Unter der Tür zum Schuppen war ein Lichtstreifen zu sehen.
    Patricio saß im Bett. Auf einem Hocker stand eine Kerze. In ihrem flackernden Licht glich der Bruder einem Gespenst.
    »Alles gut gegangen?«
    Manuel nickte und zog die Tür hinter sich zu.
    »Hast du Hunger?«
    »Nein«, antwortete Manuel, dabei hatte er Hunger wie ein Wolf.
    Er zog sich einen Stuhl heran und setzte sich. Erst jetzt, als er den Bruder betrachtete, wurde ihm richtig bewusst, was Eva berichtet hatte. Bisher war er noch ganz erfüllt gewesen von ihrer Begegnung.
    »Wir müssen eine andere Möglichkeit finden, um Schweden zu verlassen«, sagte er. »Du kannst nicht mit meinem Ticket fliegen. Dann nimmt dich die Polizei sofort fest.«
    Patricio starrte ihn misstrauisch an.
    »Wer hat das gesagt?«
    »Eva«, sagte Manuel nur und seufzte schwer.
    Sobald er ihren Namen ausgesprochen hatte, brach sich seine Verzweiflung Bahn. Auf einmal sah er ihre Situation aus einem anderen Blickwinkel. Es war, als schaute jemand von oben auf die primitive Unterkunft im tiefen Wald, umgeben von nächtlichem Dunkel, auf die flackernde Kerze und auf Patricio und ihn selbst, zwei Figuren, die sich vergeblich bemühten, einem Albtraum zu entkommen. Er sah zwei Fremdlinge, zwei Männer aus Mexiko auf feindlichem Territorium, die wie Soldaten von der Truppe abgeschnitten in einer unmöglichen Situation festsaßen. Es blieb ihnen nichts als zu kapitulieren – oder den verzweifelten Versuch zu wagen und auszubrechen.
    Manuel konnte nicht mehr, und er wusste nicht mehr weiter.
    |401| »Es tut mir leid«, schluchzte er.
    Patricio stand auf und zog aus der Hosentasche einen Zettel. Manuel meinte, einen Magier vor sich zu sehen, der ein Zauberkunststück vorbereitet.
    »Hier ist eine Telefonnummer«, sagte Patricio und hielt ihm einen Zettel hin.
    »Wie meinst du das?«
    »Die hab ich von José bekommen, dem Spanier, mit dem zusammen ich geflohen bin. Wenn ich große Probleme bekäme, sollte ich diese Nummer anrufen. Der dort antwortet, ist auch Spanier. Aber nur bei richtig großen Problemen. Die Nummer sei sicher, behauptete er. Ich sollte einfach anrufen. Jetzt haben wir doch wohl große Probleme?«
    Manuel starrte erst auf Patricio, dann auf den zerknitterten Zettel.
    »Sollen wir einen Gauner anrufen?«, fragte er.
    »Hast du einen anderen Vorschlag?«
    Manuel stand

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