Rot wie Schnee
Wirt zu, dann verschwand er wieder im Schatten. Slobodan sah ihm nach und lächelte dann Eva an.
»Wann können Sie anfangen?«
»Heute«, sagte Eva rasch, ohne auch nur einen Moment zu zögern.
|42| »Und die Hooligans?«
»Die kommen zurecht.«
»Sie müssen was mit den Haaren machen. Armas, ruf Elisabeth an!«
Eva schluckte und griff sich unwillkürlich an den Kopf.
Sie radelte wie eine Verrückte durch die Stadt. Die Sonne strahlte von einem blauen Himmel, und bei den Ampeln schien sie grüne Welle zu haben.
Aber jetzt hatte sie vor allem Sehnsucht nach Patrik und Hugo. Gestern Abend hatten sie über den Job als Kellnerin geredet, oder richtiger, Eva hatte geredet, während die Söhne ihre Chancen gleich null einschätzten. Nun konnte sie die zwei mit guten Nachrichten überraschen!
Der einzige Wermutstropfen waren die Arbeitszeiten. Zweimal in der Woche musste sie mittags arbeiten, dreimal hatte sie abends Dienst, außerdem jedes zweite Wochenende. Der Lohn, 85 Kronen in der Stunde für den Anfang, war geringer als sie erwartet hatte, aber sie hatte ohne zu protestieren akzeptiert. Der Wirt hatte angedeutet, dass es nach einer Weile vielleicht mehr werden könnte. Wie viel das Trinkgeld ausmachte, hatte sie nicht gefragt. Aber Slobodan Andersson hatte erklärt, das würde zwischen allen geteilt, auch denen aus der Küche, einschließlich der Lehrlinge und Praktikanten.
Am Ultunagärdet holte die Müdigkeit sie ein, und sie stieg ab und schob das Rad. Ein Mähdrescher fuhr über das Feld und ließ eine goldgelbe Fährte aus Stroh hinter sich. Über der breiten Fläche, in der Halme und Ähren verschwanden, ahnte sie durch den Staub hindurch den Fahrer in seiner Kabine. Eva winkte. Sie fühlte eine Art von Zusammengehörigkeit mit dem Erntearbeiter. Köche und Bäcker würden den Weizen zu Nahrungsmitteln verarbeiteten, und sie, Eva, würde servieren, was hier und jetzt gedroschen wurde.
|43| Ein Bus fuhr dicht an ihr vorbei. Demnächst würde sie auf dem Weg zur und von der Arbeit darin sitzen.
»Arbeit!«, rief sie laut, als sie an Kuggebro vorbeistrampelte.
Als sie nach Hause kam, saß Patrik am Küchentisch und aß ein Butterbrot. Hugo hockte vor dem Computer.
»Der sitzt da echt schon seit zwei Stunden!«, beschwerte sich Patrik.
»Ich mach Hausaufgaben!«, rief Hugo aufgebracht.
»Dass ich nicht lache«, murrte der Bruder.
»Komm, Hugo«, sagte Eva und setzte sich zu Patrik an den Tisch. Er erschien sofort und stellte sich in die Tür. Wie er da am Türrahmen lehnte, signalisierte er, dass er bereit war zu einem Streit über die Zeit vor dem Computer.
»Ich hab den Job«, sagte Eva.
Patrik warf ihr einen Blick zu, dann schnitt er sich noch eine Scheibe Brot ab.
»Dann können wir jeden Tag im Restaurant essen!«, rief Hugo.
Es dauerte lange, bis die Söhne ins Bett kamen. Sie wollten alles über das »Dakar« wissen, und Eva merkte, dass sie ihnen etwas versprechen wollte. Sie sollten sich irgendwie an dem Lotterielos beteiligt fühlen, das sie gezogen hatte. So empfand sie es: wie einen unerwarteten und kaum zu fassenden Triumph. Keiner hatte erwartet, dass sie einen Job bekommen würde, Helen am wenigsten. Die würde sie morgen früh als Erste anrufen.
Die Uhr im Wohnzimmer schlug zwölf. Sie hätte mit ihren Eltern in Ekshärad telefonieren müssen, aber nun war es zu spät. Vielleicht sollte sie damit ein paar Tage warten, bis sie angefangen hatte im »Dakar« zu arbeiten.
Als sie den Bettüberwurf abzog, beschloss sie noch zu duschen, obwohl es schon so spät war.
|44| Anschließend cremte sie sich sorgfältig mit der Lotion ein, die nach Zitrone duftete. Sie sah ihren Körper im Badezimmerspiegel, und in das Gefühl, erwählt zu sein, mischte sich das Bedauern, niemanden zu haben, mit dem sie ihre Freude teilen konnte. Sicher waren die Jungen zufrieden, Hugo hatte schon ausgerechnet, was sie alles kaufen konnten, während Patrik meist still dabeigesessen hatte. Eva meinte zu wissen, dass seine Freude mehr der Tatsache galt, jetzt eine Mutter mit einer richtigen Arbeit zu haben.
Die Freude mit den Söhnen zu teilen war trotz allem eine kontrollierte Freude: Ständig musste sie das Realistische im Auge behalten. Der Job im »Dakar« bedeutete nicht, dass ihr eine tolle Karriere winkte. Es war ein Job, und dabei nicht mal ein sonderlich gut bezahlter und keinesfalls ein Millionengewinn oder eine Freikarte für ein Leben im Überfluss.
Sie sehnte sich danach,
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