Rot wie Schnee
reden.
37
L orenzo war nicht sonderlich froh, aber davon merkte niemand etwas, denn er war darin geübt, nach außen hin Ruhe zu bewahren. Olaf González hatte allerdings genug Erfahrung, |231| um zu bemerken, dass sich Lorenzo in einem fort mit der rechten Hand durchs Haar fuhr und es zurückstrich.
»Wer?«, fragte er.
Gonzo wünschte, er wüsste die Antwort.
»Es gibt mehrere Möglichkeiten«, begann er vorsichtig. »Entweder einer aus der Branche, den Armas genug geärgert hat, oder es ist einer aus der Vergangenheit aufgetaucht.«
Als Gonzo von Armas’ Ermordung erfahren hatte, war sein erster Gedanke Flucht gewesen. Er war davon überzeugt, dass Lorenzo hinter dem Mord steckte. Vielleicht wollte Lorenzo ja auch ihn zum Schweigen bringen, um sich den Rückzug zu sichern.
»Darauf bin ich selbst schon gekommen«, entgegnete Lorenzo, »aber du hast so nahe bei Armas gearbeitet, du hast doch wohl etwas aufschnappen können.«
Lorenzo fluchte selten, noch wurde er laut. Sie saßen im »Pub 19« an der Svartbäcksgatan. Jeder hatte sein Bier vor sich. Es war halb sieben, und das Lokal war schwach besetzt. Ein paar Studenten hingen an der Theke ab, und eine Gruppe Frauen hatte zwei Fenstertische mit Beschlag belegt. Kolleginnen, vermutete Gonzo. Eine der Frauen sah auf und blickte zu ihnen herüber.
Gonzo beschloss, nichts zu sagen, denn jede Antwort hätte Lorenzo nur noch mehr aufgeregt. Gonzo lag daran, gut angeschrieben zu sein. Das war seine einzige Chance. Nachdem er im »Dakar« rausgeflogen war, hatte er in der Stadt keine Aussicht mehr auf einen Kneipenjob, dafür würde Slobodan Andersson schon sorgen. Lorenzo war seine Rettung.
Verfluchte Scheiße, dachte er, warum soll ich mich da einmischen? Als Lorenzo ihn zum ersten Mal kontaktiert hatte, glaubte Gonzo, dass es um einen Job ginge, dass Lorenzo Informationen suchte und eventuell Kontakte innerhalb der Restaurantbranche knüpfen wollte. So ließ er es jedenfalls |232| durchscheinen: Er erwäge, sich in der Stadt niederzulassen, und suche nach einem »Zugang«.
Gonzo fühlte sich geschmeichelt und hatte schon seinen Aufstieg vor Augen. Allein bei dem Gedanken, zu Slobodan Andersson hineingehen und ihm die Schlüssel auf den Tisch werfen zu können, plauderte er bereitwillig alles aus, was er über das »Dakar« und das »Alhambra« wusste. Er empfand sich nicht als illoyal, denn Slobodan und Armas hatten ihn immer wie ein Stück Dreck behandelt. Und dann diese Tessie, die so tat, als gehörte ihr die Kneipe, und ihn herumkommandierte. Was wusste sie vom Servieren? Er hatte fünfzehn Jahre geschuftet, während Tessie in irgendeiner Hamburgerbude in Boston ein schönes Leben hatte.
Er hatte zu spät begriffen, dass Lorenzo höher zielte. Er wollte Armas das Genick brechen und auf die Weise Slobodan schwächen und vielleicht seine Kneipen übernehmen. Lorenzo schien aber noch auf etwas anderes aus zu sein, nur hatte Gonzo nie herausfinden können, was das war. In der letzten Woche war das noch deutlicher geworden, denn anders ließ sich Lorenzos Unruhe nicht erklären. In dem Jackpot lag bedeutend mehr als die zwei Kneipen in Uppsala.
»Was sagen die Bullen?«
»Zu mir nichts«, sagte Gonzo und erinnerte sich daran, wie ihm der Polizist mit Fragen zugesetzt hatte wegen des Ärgers mit Armas und warum er im »Dakar« aufhöre. »Die glaubten, ich hätte mit dem Mord zu tun.«
»Und, hattest du?« Lorenzo lächelte, als er die Frage stellte.
»Verdammt, was soll das!«, fuhr Gonzo hoch, und einer der Jugendlichen an der Theke drehte sich um und betrachtete neugierig das Duo in der Ecke.
Gonzo trank einen großen Schluck Bier. Er schloss beim Trinken die Augen, spürte aber Lorenzos Blick auf sich ruhen. Da beschloss er zu reden.
|233| »Ich hab Armas das Päckchen ausgehändigt«, sagte er, »aber das war ein Fehler. Er schlug zurück.«
»Ein Diebstahl.«
Lorenzo nickte, stellte keine weiteren Fragen, trank einen Schluck Bier und lächelte wieder.
»Wenn du dabei sein willst, wenn wir lossegeln, musst du schnell an Bord kommen«, sagte er.
»Was ist im Schiff?«
»Um anzuheuern, braucht man die Ladung nicht zu kennen«, sagte Lorenzo.
Er stand auf, zog einen Hunderter aus der Tasche und warf ihn auf den Tisch.
»Multiplizier das mit tausend«, sagte er geheimnisvoll und verließ das Lokal.
Gonzo gab dem Mann an der Bar ein Zeichen für noch ein Bier. Damit wollte er vor allem der Verlockung widerstehen, Lorenzo nachzugehen. Er
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